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22. Juni 1941 – Deutschland überfällt die Sowjetunion – Beginn des „Unternehmens Barbarossa“

GEESTE. Vor 80 Jahren – am 22. Juni 1941 – begann der Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion. Unter dem Decknamen „Barbarossa“ war der Überfall vom NS-Regime sorgfältig geplant worden. Bereits in den 1920er Jahren schrieb Hitler in „Mein Kampf“, dass für das deutsche Volk im Osten „Lebensraum“ gesucht werden müsse. Im Dezember 1940 gab Hitler seine formelle Weisung heraus, „[…] Sowjetrussland in einem schnellen Feldzug niederzuwerfen.“

Mit annähernd 3,3 Millionen Soldaten griff die Wehrmacht – ohne Kriegserklärung – auf breiter Front zwischen Ostsee und Schwarzem Meer an. Es begann ein beispielloser Vernichtungskrieg. Vorgesehen war, einen großen Teil der sowjetischen Bevölkerung zu töten, einen kleinen Teil zu „germanisieren“ – und den Rest zu versklaven oder zu vertreiben. So sollte „Lebensraum im Osten“ für die Ansiedlung von Deutschen entstehen.

Zunächst verlief die Operation erfolgreich für die Wehrmacht. Mit mehr als 3.500 Panzern und Panzerfahrzeugen stieß sie auf sowjetisches Gebiet vor. Gleich am ersten Tag der Offensive wurden 1.800 sowjetische Flugzeuge zerstört, und in wenigen Wochen sieben sowjetische Armeen eingekesselt. Ein weiterer „Blitzkrieg“-Erfolgt schien nahe zu sein.

Nachschub- und Versorgungsprobleme an der 1.800 km langen „Ostfront“ sowie der Einbruch des Winters führten jedoch zur Verlangsamung des deutschen Angriffes. Eine groß angelegte Gegenoffensive der Sowjetarmee, der Kriegseintritt der USA Ende 1941 sowie die spätere Niederlage der deutschen 6. Armee in Stalingrad mit der Kapitulation ihrer wenigen verbliebenen Soldaten Ende Januar/Anfang Februar 1943 gelten als Wendepunkte des Zweiten Weltkrieges.

Die deutsche Militärführung nahm von Beginn an das Massensterben sowjetischer Kriegsgefangener billigend in Kauf. Von den geschätzten 5,7 Millionen Rotarmisten, die in deutsche Gefangenschaft gerieten, starben bis Kriegsende mehr als 3 Millionen an Hunger und Verwahrlosung – auch in den Kriegsgefangenenlagern im Nordwesten Deutschlands. Hinter der Front organisierten überdies SS-Kommandos die systematische Ausrottung der russischen Juden – von insgesamt vier Millionen überlebten nur 1,5 Millionen.

Insgesamt verloren im „deutsch-sowjetischen Krieg“ 1941-1945 auf sowjetischer Seite bis zu 27 Millionen Menschen ihr Leben, davon in etwa die Hälfte Soldaten. Auf deutscher Seite kamen im gesamten Zweiten Weltkrieg 1939-1945 zwischen sechs und sieben Millionen Menschen um, zum großen Teil Soldaten.

Auszug aus einer Gräberliste des Lagerfriedhofes Dalum, undatiert. Foto © OBD Memorial
Auszug aus einer Gräberliste des Lagerfriedhofes Dalum, undatiert. Foto © OBD Memorial

Im Emsland und in der Grafschaft Bentheim zeugen die jeweiligen „Lagerfriedhöfe“ der Kriegsgefangenenlager Oberlangen, Wesuwe, Versen, Fullen, Groß Hesepe, Dalum, Wietmarschen/Füchtenfeld, Bathorn und Alexisdorf/Neugnadenfeld (heutige Bezeichnung: „Kriegsgräberstätten“) von dem regionalen Kapitel des „Unternehmens Barbarossa“. In diesen Lagern und den zahlreichen zugehörigen regionalen und überregionalen Arbeitskommandos kamen mehr als 20.000 sowjetische Kriegsgefangene zwischen 1941 und 1945 um.

Bislang waren ihre Namen und Schicksale zumeist nicht oder nur wenig bekannt. Ein gemeinsames Projekt des Archivs der Gemeinde Geeste und der Gedenkstätte Esterwegen arbeitet seit mehr als einem Jahr dieses Thema auf. Ziel sei es, zu möglichst vielen Kriegsgefangenen detaillierte Angaben zur Biografie, zur Gefangenschaft und zur letzten Ruhestätte zusammenzutragen, so Martin Koers, der das Projekt initiiert hat.

Vorrangige Quelle für diese Recherchen ist die russische Datenbank „OBD Memorial“, in der zahlreiche Dokumente digitalisiert vorliegen, darunter Personalkarten (zum Teil mit Fotos), Sterbefall-Anzeigen, Grablagenlisten, Verlustmeldungen und Krankenblätter von sowjetischen Kriegsgefangenen. Derzeit seien Angaben zu annähernd 14.000 sowjetischen Kriegsgefangenen und zu mehr als 20.000 Arbeitskommandos in der Datenbank erfasst, berichtet Koers, der als Archivar der Gemeinde Geeste und Co-Leiter der Gedenkstätte Esterwegen intensiv zu diesem Thema forscht.

Die weitere Erfassung und Auswertung der genannten Dokumente werde sicherlich noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Wer Interesse daran hat, dieses Projekt zu unterstützen, melde sich gerne via eMail unter archiv@geeste.de. Es sind keine Vorkenntnisse notwendig; die Mitarbeit ist von zuhause aus über Internet und E-Mail-Kontakt möglich.

Foto © OBD Memorial

Text: Martin Koers, Archivar der Gemeinde Geeste