Musik

Alexa Feser veröffentlicht ihr Album „Liebe 404“ und „Schiebedach“ mit Esther Graf

Kennt ihr das, wenn ihr einen Song, eine Melodie, eine Stimme hört und direkt Bilder in euren Kopf schießen? Ein innerer, musikalischer Rorschach-Test, der den Film passend zum Soundtrack liefert, die Tintenkleckse passend zu den Gefühlen? Alexa Feser flimmert direkt ein konkretes Bild über die Leinwand ihres inneren Auges, wenn sie ihr neues Album „Liebe 404“ hört: „Ich sehe ein fast kaputtes, schwarzes Kleid. Der Stoff ist bereits so abgewetzt, dass er an manchen Stellen fast durchsichtig wirkt. Hier und da dröseln sich die Nähte auf. Doch hunderte, tausende kleine Diamanten halten das fragile Konstrukt zusammen, machen es doch robust, ohne ihm seine Feinheit und Zerbrechlichkeit zu nehmen. Ein Narbenkleid. Hier und da dunkel, aber mit enormer Strahlkraft.

Das Bild passt perfekt. Ein Kleid ist schließlich etwas, womit man sich schmückt, selbst wenn es hier und da etwas verschlissen und zerrissen ist. Genauso geht es der Musikerin und Songwriterin mit ihrer Geschichte und ihren Themen, die sie auch auf „Liebe 404“ verarbeitet. Herausforderungen und Kämpfe sollen stolz getragen werden. Denn genau wie das Kleid beweisen sie: Ich habe etwas erlebt. Ich habe dabei vielleicht Narben davongetragen, aber das macht es nur spannender. Und vor allem: Sie machen einen selbst freier!

Musik war und ist für Alexa auch ein Werkzeug zur Verarbeitung. Neben vielem anderen auch ihre nicht einfache Kindheit mit einem abusive Vater, später dann die Trennung der Eltern und einem Alltag, der auch von Entbehrungen geprägt ist. Aus ihrer schwierigen Kindheit wächst die Kraft heraus, sich aus diesem Leben zu befreien und eigene Maßstäbe zu setzen. Eine unaufhaltsame Kraft aus einer Sache zu schöpfen, die einen selbst so in die Knie gezwungen hat. Musik wird zu einem Rückzugsort, an dem sie Kraft für die schwierige Welt da draußen sammeln kann. Eben ein Empowerment-Werkzeug, ein Tool, um sich selbst zu befreien und die eigene Identität zu spüren.

„Liebe 404“ ist auch ein Zeugnis, wie Schmerz in Empowerment umgewandelt werden kann, ein Album voll von Stärke, aber eben auch Melancholie. Kein Wunder. Die letzten zwei Jahre haben einer Live-Musikerin wie Alexa Feser zugesetzt und eine innere Auseinandersetzung angestoßen so wie bei vielen von uns. Was und wer ist meine Energie wert? Woraus ziehe ich wiederum Energie? Was ist wirklich wichtig? „Ich habe vor etwa zwei Jahren begonnen, mich krass zu verkleinern und zog von einer großen Wohnung in eine viel kleinere. Ich wollte alles abwerfen, was mir nicht mehr gut tat: Dinge und auch Menschen. Das war extrem befreiend„, erklärt sie ihre räumliche wie mentale Metamorphose. Wohnungen – genauso wie Mode – spiegeln auch bei ihr wider, wie es in ihrem Inneren aussieht. Noch mehr: Bei ihr zeigt es außerdem, wie ihre Musik klingen wird. „Mein letztes Album war sehr opulent, sehr poppig. Der Sound von ‚Liebe 404‘ ist viel abgespeckter, filigraner geworden. Ich habe entrümpelt. Wortwörtlich, und im übertragenen Sinne auch musikalisch.

Themen wie Freiheit, Aufbruch und vor allem auch Abschließen sind zentral auf „Liebe 404“. In „Schiebedach“ beispielsweise widmet die Protagonistin mit Featurepartnerin Esther Graf einen Song dem Gefühl, die Hände endlich wieder gen Himmel zu strecken und sich selbst spüren zu können. „Memo“ wiederum erzählt von der Notwendigkeit des Loslassens, des sich Freischwimmens, von dem, was man nicht mehr möchte, um jene Freiheit erlangen zu können, die in „Schiebedach“ zelebriert wird. Der Titeltrack „Liebe 404“ auf der anderen Seite stellt sich gemeinsam mit dem Rapper Sero existentialistischen Fragen wie: Was macht die Schnelllebigkeit unserer Welt mit uns? Social Media, Leistungsdruck, das Gefühl entkoppelt vom Rest zu sein. Ist da etwas kaputt gegangen, dass wir einen inneren Fehlercode 404 verspüren? Was für den Titeltrack gilt, spürt man auf dem ganzen Album. „Liebe 404“ setzt sich mit unseren Fehlern auseinander, mit unseren Hürden, Mängeln und Ängsten – aber zelebriert auch, diese zu überwinden, an ihnen zu arbeiten und sich mittels eines unkaputtbaren Glaubens an sich selbst von diesen Lasten zu befreien.

Der musikalische Entstehungsprozess von „Liebe 404“ setzt auf weniger ist mehr. Alexa Feser ist sehr autark unterwegs und weiß, was sie will – besonders in dieser Phase ihres Lebens. Sie spielt Klavier seit Kindertagen, ihre Stimme brachte ihr damals im Schulchor schon nach kürzester Zeit Soli und als junge Erwachsene schnell zahlreiche Bookings von Produzent:innen als Studiosängerin ein. Ihr musikalisches Talent entwickelte sich zu einer vier Alben umspannenden Karriere inklusive eigenen Tourneen und Features mit Größen wie Kool Savas. Auch der King of Rap findet sich auf diesem Album wieder. Auf „Fluchtwagen“ gehen die beiden gemeinsam der Frage nach, was man für Menschen tun würde, die man am meisten liebt. Die Antwort ist simpel: alles!

Alexa ist eine vollkommene Musikerin, mit dem Anspruch, niemals fertig zu sein. Weiterentwicklung ist ihr Kredo, bloß nicht stehenbleiben, bloß nicht ankommen. Ihre Vision setzt sie am liebsten im kleinen Kreis um. „Ich schreibe und komponiere meistens lieber alleine oder mit meinem Kreativpartner Steve van Velvet. So kann ich dann einfach mit Songs und Demos schon im Studio erscheinen, wo dann in den meisten Fällen nur noch geschmückt und verbastelt wird.“ Viele Instrumentals und Harmonien, die wie Samples klingen, hat Alexa tatsächlich selber eingespielt. Alles fügte sich irgendwie zusammen. „Bei mir entsteht ein Album nicht innerhalb von zwei Wochen. Das zieht sich über mehrere Monate und manchmal Jahre.“ Bei „Liebe 404“ waren es fast zwei Jahre, in denen auch vieles verworfen wurde, bis Alexa das gefunden hat, was sie gerade erzählen wollte. „Ich wollte eine stimmige Soundwelt erschaffen – was bei einem langen Zeitraum gar nicht so einfach ist. Denn in zwei Jahren passiert schließlich auch eine Menge.

„Liebe 404“ ist Alexa Feser genau jetzt, auch wenn sie immer wieder auf dem Sprung zum nächsten Ziel ist – stets mit Lampenfieber in der Magengrube. Denn Ankommen war nie ihr Ziel. Lieber den kleinen Koffer mit den paar Sachen, die das Entrümpeln überlebt haben, auf die Rückbank pfeffern, das Schiebedach öffnen, den Fahrtwind an den Fingerspitzen spüren und genießen, wohin die Reise einen führt – auch wenn das hier und da bedeutet, Ballast zurückzulassen. Das ist das „Liebe 404“-Prinzip. Ihr solltet es mal ausprobieren!

Text und Foto: Sony Music