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Diskussion um Flieger-Straßen in Staatsforsten: Anwohner wollen „lieber aufklären als ausradieren“

Die vier „Flieger-Straßen“ in Staatsforsten nicht umbenennen: Das war das klare Meinungsbild der Betroffenen auf der Anliegerversammlung gestern Abend im Dorfgemeinschaftshaus.
Rund 100 Haushalte bzw. Eigentümer der Siedlungen Hanna-Reitsch-Weg, Möldersstraße, Werner-Baumbach-Straße und Udetstraße in Staatsforsten waren zu der Anliegerversammlung eingeladen worden, 95 Anwohner kamen am Dienstagabend ins Dorfgemeinschaftshaus und waren sich einig: Für eine Namensänderung sehen sie keine Notwendigkeit.
An diesem Info-Abend wollten die Anwohner ohne Öffentlichkeit und Pressevertreter unter sich und mit den ebenfalls teilnehmenden Ratsmitgliedern diskutieren; drei weitere interessierte Staatsforstener, die aber nicht Anlieger waren, wurden als Zuhörer von der Versammlung abgelehnt. Zu Beginn stellte die Historikerin Dr. Mareike Witkowski die Biografien der vier zu überprüfenden Namensgeber vor, fokussiert auf das Zeitfenster des NS-Regimes. In der Studie hatten die Wissenschaftler der Uni Oldenburg in einer umfangreichen Literatur-Recherche nicht nur Daten zu den vier Militär-Piloten gesammelt, sondern auch die Quellenlage geprüft – und damit auch einige häufig zu findende Geschichten als tatsächlich nicht belegbare Legende entlarvt. Die detaillierten Studienergebnisse sind auf der städtischen Homepage abrufbar.
Die offenbar gut vorbereiteten Anwohner hatten sich im Vorfeld schon mit der Thematik auseinandergesetzt und über mögliche Lösungen nachgedacht. Ihr mehrheitlicher Vorschlag: Die Straßennamen mit ergänzenden Hinweisschildern versehen, die über die Personen und ihre geschichtliche Rolle informieren, ggf. mit einem QR-Code, der zu weiteren Informationen führt. Dazu sollte eine Info-Tafel in der Nähe des Bunkers und beim Jagdbomber-Gedenkstein aufgestellt werden, auf der ausführlich über diese vier Militärpiloten aus der NS-Zeit berichtet und ihr Handeln kritisch hinterfragt wird: „Besser aufklären als ausradieren!“
Die Straßennamen seien ja auch „Mahnmale“, sagte eine Anliegerin: Wenn man die Straßen umbenenne, würden die Namen aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwinden: „Dann setzt sich keiner mehr damit auseinander.“ Damit gehe „ein Stück Geschichte verloren, von dem wir lernen können und sollten“, ergänzte ein anderer Bürger: Also „nicht wegwischen“, sondern positiv nutzen als „gelebte Geschichte“.
„Was die gemacht haben, darf man nicht beschönigen“, hieß es nachdrücklich. Die Anwohnerschaft distanziere sich ganz klar von rechtem Gedankengut – damals wie heute. Das klarzustellen, war den Betroffenen immens wichtig. Nicht zuletzt, weil sie sich durch einige plakative Bezeichnungen in den Medien gebrandmarkt fühlen: „Aus dieser Schublade wollen wir raus!“
Die Namensgebung für die Udetstraße, die Möldersstraße und die Werner-Baumbach-Straße stammt aus den 1950er Jahren, seitdem habe sich keiner dafür interessiert geschweige denn darüber aufgeregt, sagten mehrere Anwohner. Die Siedlung am Hanna-Reitsch-Weg wurde sogar erst Anfang der 1990er-Jahre so genannt. Dass das ein Fehler war, da war man sich am Dienstag einig. Aber „das Kind ist in den Brunnen gefallen“, man müsse jetzt damit umgehen. Wenn die Straßen umbenannt würden, dann „muss noch viel mehr weg“, meinten mehrere Teilnehmende. So zum Beispiel der Bunker und der Gedenkstein im Dorf. Und es seien andere Cloppenburger Straßen nach Menschen benannt, die aus anderen Gründen vielleicht auch nicht der Ehrung würdig seien – „werden die jetzt auch umbenannt?
Gegen eine Umbenennung spreche auch der damit einhergehende „Riesenaufwand“ für Bürger und ansässige Unternehmen. Die Adressänderungen müssten bei behördlichen Dokumenten und Anliegen durchgeführt werden, z.B. Ausweise oder Reisepässe. Aber auch Versicherungen, Kundenkonten, Online-Präsenzen und etliches mehr müsste angepasst werden: Das sei „unverhältnismäßig“, hieß es gestern. Zu prüfen, welche Kosten damit verbunden wären und ob die Stadt diese ggf. übernehmen könne, wird derzeit von der Stadtverwaltung geprüft.
Aus den Reihen der anwesenden Ratsmitglieder gab es unterschiedliche Standpunkte. Die Idee der Gedenktafel fanden alle sehr gut, allerdings würden einige die Straßennamen dennoch lieber ändern wollen. Denn eine Namenswidmung für eine Straße sei eine besondere Ehrung, sagte ein Ratsherr. „Und diese Ehrung für eine glühende Hitler-Verehrerin: Da habe ich Bauchschmerzen.“ Er
würde eine „Hybrid-Lösung“ bevorzugen: „Umbenennen und erinnern“. Nicht nur die Perspektive der Betroffenen sei wichtig, meinte der Abgeordnete, vielmehr müsse es „eine ergebnisoffene Debatte“ geben.
„Das hört sich so an, als wenn die Entscheidung schon steht“, befürchteten einige Anwohner und fragten: „Werden wir überhaupt gehört?“ Man habe doch einen „guten Kompromiss“ vorgeschlagen und wolle sich nicht etwas aufzwingen lassen. Ein anderer Ratsherr beruhigte: Es gebe „noch keinerlei Beschlusslage“ zu der Thematik. „Was die Bürger wollen, muss ganz, ganz vorne stehen“, meinte ein weiterer Ratspolitiker und forderte: Straßen nicht umbenennen, Gedenktafel aufstellen „und dann das Thema beenden“. Dafür gab es in der Versammlung viel Beifall.
• So geht es weiter: Das Meinungsbild der betroffenen Anwohner wird ebenso wie die Ergebnisse der Studie in die weitere politische Entscheidungsfindung einfließen. Voraussichtlich Anfang 2025 wird sich der Planungsausschuss wieder mit der Thematik befassen und dann eine Beschlussempfehlung für den Rat abgeben, der dann final über eine Umbenennung sowie über die Frage einer Kostenübernahme entscheiden wird. Diese öffentliche Sitzung wird auch im Livestream online übertragen.
• Hier sind die detaillierten Ergebnisse der wissenschaftlichen Studie zu finden:
https://cloppenburg.ratsinfomanagement.net/vorgang/?__=UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZQjGvzj-jPsZyGemdvMqbTc

Text und Foto: Stadt Cloppenburg