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Droht Zwangsschließung durch Infektionsschutzgesetz? Zoo Osnabrück erwägt Gang vor das Bundesverfassungsgericht

Sollte bei der Anpassung des Infektionsschutzgesetzes beschlossen werden, dass bundesweit Zoos ab einer dreitägigen 7-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner von über 100 schließen müssen, zieht der Zoo Osnabrück in Erwägung eine Beschwerde am Bundesverfassungsgericht einzureichen. Damit widerspricht der Zoo dem Vorgehen des Verbandes der zoologischen Gärten (VdZ). Aktuell hat der niedersächsische Zoo geöffnet, nachdem das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg die Schließung von Zoos als unverhältnismäßig eingestuft hatte.

Zoo zu, Zoo auf, Zoo zu, Zoo auf – so lassen sich die letzten Wochen im Zoo Osnabrück zusammenfassen. Nun droht erneut die Schließung, wie die Vorabfassung des angepassten Infektionsschutzgesetzes vom 13. April ankündigt. Das „Vierte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ enthält bundesweit einheitliche und demnächst wohl neue Infektionsschutzmaßnahmen. Wird der aktuelle Kabinettsentwurf wie geplant verabschiedet, beinhaltet das neue Infektionsschutzgesetz eine bundesweite Schließung aller Zoos an Orten, in denen die 7-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner an drei aufeinanderfolgenden Tagen über 100 liegt. Öffnen dürften sie erst wieder, wenn die 7-Tage-Inzidenz an fünf aufeinanderfolgenden Tagen unter 100 liegt. Andreas Busemann, Geschäftsführer im Zoo Osnabrück, kündigt Widerstand an: „Sollte es so kommen, behalten wir uns vor zu klagen. Wir sind hier im Zoo Osnabrück an der frischen Luft, alle Tierhäuser sind geschlossen, wir haben eine Besucherobergrenze und Maskenpflicht auf dem gesamten Gelände – uns und wohl auch den meisten unseren Besuchern erschließt sich nicht, warum wir wieder schließen müssten. An vielen öffentlichen Naherholungszentren sind wohl mehr Menschen als hier unterwegs und das ohne Kontrollen.“

Oberverwaltungsgericht beurteilt Zooschließung als unverhältnismäßig

Das sah am 19. März auch das niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg so und kippte damals im Eilverfahren die Vorgabe der niedersächsischen Landesregierung, dass Zoos bei entsprechendem Inzidenzwert schließen müssen. Die Begründung lautete: Die Gefahr einer Ansteckung mit dem Coronavirus bei Aufenthalten im Freien sei „vergleichsweise gering und könne durch mildere Maßnahmen als eine Schließung hinreichend effektiv reduziert werden“. So konnte der Zoo am 20. März mit seinem bewährten Hygienekonzept wieder öffnen, obwohl in der Stadt Osnabrück der 7-Tage-Inzidenzwert seit über drei Tagen über 100 lag. Dr. Marco Athen, Rechtsanwalt und Präsidiumsmitglied in der Zoogesellschaft Osnabrück e.V. wie auch im Aufsichtsrat der Zoo Osnabrück gGmbH, zweifelt ebenfalls an, dass eine entsprechende Änderung im Infektionsschutzgesetz rechtens ist: „Es liegt der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vor, dass die Schließung von Zoos unverhältnismäßig ist. Zudem ist fraglich, inwiefern dies die im Grundgesetz verankerte Berufsfreiheit im Artikel 12 verletzt. Wir sollten deswegen falls notwendig vor das Bundesverfassungsgericht gehen.“

Heute wird über die sogenannte Corona-Notbremse des Bundes im Bundestag abgestimmt. Frühestens könnte das angepasste Infektionsschutzgesetz am 26. April in Kraft treten, wenn Bundestag und Bundesrat entsprechend abstimmen. Obwohl der Zoo notfalls gegen das neue Gesetz klagen möchte, ist Zoopräsident Dr. E.h. Fritz Brickwedde aber wichtig eines klar zu stellen: „Wir sind nicht per se gegen das Gesetz und sehen die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen, um die Verbreitung des Coronavirus zu stoppen. Uns geht es vielmehr um die Verhältnismäßigkeit, die bei einer Schließung der Outdooreinrichtung Zoo einfach nicht gegeben ist. Dabei ist ein Zoo gerade jetzt ein sehr wichtiger Ort für Familien, um in dieser schwierigen Zeit Erholung und positive Erlebnisse zu schaffen.“ Zusätzlich seien die Eintrittsgelder für den Zoo Osnabrück, der fast komplett privat geführt wird, überlebenswichtig. Seit Ausbruch der Pandemie war der Zoo insgesamt bereits sechs Monate geschlossen.

Zoo Osnabrück widerspricht Verbandsmeinung

Mit seinem Vorgehen weicht der Zoo Osnabrück von der Linie des Verbandes der Zoologischen Gärten (VdZ) ab. Dieser hatte in den vergangenen Tagen einen offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten und -präsidentinnen der Länder geschrieben, dass Zoos die angekündigte Schließung mitgehen, aber finanzielle Unterstützung für die Einrichtung erwarten. Hierzu hat Zoogeschäftsführer Busemann eine klare Meinung: „Für Zoos, die überwiegend von der Kommune getragen werden, mag die Situation noch erträglich sein. Aber für Tierparks und Zoos, die generell, auch ohne Corona keine oder nur geringe Unterstützung von den Kommunen erhalten, ist die Situation sehr schwierig. Zudem ist die Schließung nach heutigem Wissensstand unverhältnismäßig. Dementsprechend gehen wir hier einen anderen Weg als der Verband und setzen uns damit sowohl für die Tierparks als auch für die Menschen in der jeweiligen Region ein, damit sie ihren Zoo mit entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen besuchen können.“ Die Enttäuschung über das Verbandsvorgehen ist groß: „Von einem Verband erwarte ich, dass er sich für die Interessen aller Mitglieder einsetzt. Zoos und Tierparks haben schlüssige Hygienekonzepte erarbeitet und sind eine wichtige Alternative für Familien in dieser Zeit. Dies hat der Verband vor kurzem selbst noch betont. Deswegen sollte sich der Verband sowohl für die Zoos, die nicht öffnen möchten, als auch für die Zoos, die alles geben, um in dieser herausfordernden Situation mit entsprechenden Hygienekonzepten Besucher zu empfangen, einsetzen.“ Dass dies möglich ist, zeigen andere Verbände wie die Deutsche Tierpark-Gesellschaft und der Deutsche-Wildgehege-Verband, so Busemann.

Sollten Zoos bei der bundesweiten Corona-Notbremse, über die aktuell abgestimmt wird, ab einer dreitägigen 7-Tage-Inzidenz von über 100 pro 100.000 Einwohnern schließen müssen, erwägt der Zoo Osnabrück den Gang vor das Bundesverfassungsgericht, damit Familien unter anderem den kleinen Elefanten Yaro wieder besuchen können. Die Schließung von Zoos mit Hygienekonzepten sei unverhältnismäßig, da Besucher sich an der frischen Luft befinden, so der Zoo. Foto: Lisa Simon
Sollten Zoos bei der bundesweiten Corona-Notbremse, über die aktuell abgestimmt wird, ab einer dreitägigen 7-Tage-Inzidenz von über 100 pro 100.000 Einwohnern schließen müssen, erwägt der Zoo Osnabrück den Gang vor das Bundesverfassungsgericht, damit Familien unter anderem den kleinen Elefanten Yaro wieder besuchen können. Die Schließung von Zoos mit Hygienekonzepten sei unverhältnismäßig, da Besucher sich an der frischen Luft befinden, so der Zoo. Foto: Lisa Simon

Über den Zoo Osnabrück

Der Zoo Osnabrück wurde 1935 als Arbeitsgemeinschaft Heimattiergarten von Osnabrücker Bürgern gegründet und bereits 1936 als Heimattiergarten eröffnet. Während des Zweiten Weltkriegs wurde der Heimattiergarten größtenteils zerstört, doch anschließend verfolgten die Osnabrücker weiterhin ihr Ziel, für die Stadt einen Zoo zu schaffen. Im Laufe der Jahrzehnte entwickelte sich der Heimattiergarten zum Tiergarten und schließlich zum zoologischen Garten. Heute beherbergt der Zoo auf 23,5 Hektar 2.213 Tiere aus 291 Arten (Stand 31.12.2020). Neueste Erlebniswelten sind der Unterirdische Zoo (2009), die afrikanische Erlebniswelt „Takamanda“ (2010), die nordische Tierwelt „Kajanaland“ (2011) und der Affentempel „Angkor Wat“ (2012). Es folgten der Tigertempelgarten (2014 und der „Orang-Utan Dschungeltempel“ (2017) in diesem Bereich. Im Oktober 2018 neu hinzugekommen ist die nordamerikanische Tierwelt „Manitoba“ mit u.a. Hudson-Bay-Wölfen, Schwarzbären, Waldbisons, Stinktieren und Kanadischen Bibern. 2019 und 2020 wurden mit „Mapungbuwe“ die Nashornanlage und die Löwenanlage vergrößert und mit einem Höhenpfad für Besucher versehen. 2020 besuchten den Zoo Osnabrück 950.000 Besucher.

Text: Pressestelle Zoo Osnabrück

Foto: Lisa Simon