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Eissporthalle – Der Kreissportbund Grafschaft Bentheim e. V. und Sportverband Nordhorn nehmen Stellung – Sportentwicklungsplanung gewünscht

Nordhorn. Im Bezug auf die Eissporthalle in Nordhorn gibt es immer wieder verschiedene Ansichten. Neben der Bürgerinitiative, der Politik, der Verwaltung und auch der Vereine hat sich nun der Kreissportbund Grafschaft Bentheim e. V. geäußert. Der Kreissportbund wendet sich mit einem Brief an die Mitglieder des Sportausschusses und auch den Vorsitzenden der Kreistagsfraktionen und den örtlichen Medien. Hier nun die Informationen, der Standpunkt des Kreissportbund Grafschaft Bentheim e. V. und des Sportverbandes Nordhorn:

„Gerne möchten wir, aus Sicht des Vorstandes des KSB sowie des Sportverbandes Nordhorn, mit diesem Schreiben noch einmal Stellung zu der Diskussion um die Eissporthalle beziehen.
Wir haben bereits in der Vergangenheit in verschiedenen Arbeitsgruppen und Ausschüssen sowie gegenüber den politischen Vertretern und der Verwaltung immer wieder hervorgehoben, dass eine Sport(raum)entwicklung von verschiedenen Rahmenbedingungen beeinflusst wird:
• der Bevölkerungsentwicklung,
• gesellschaftsbedingten Veränderungen
• der Entwicklung von Trendsportarten und
• ökonomischen Voraussetzungen.
Auch wenn wir die basisdemokratisch getroffene und vielfach diskutierte Entscheidung für eine Sanierung respektieren, so sind wir der Meinung, dass sich die grundlegenden Rahmenbedingungen, die zum Zeitpunkt der Bürgerbefragung vorhanden waren, massiv verändert haben (Finanzierungsvolumen, Energiekrise, nicht 1:1 umsetzbarer Bürgerentscheid, Expertengutachten, CO2-Neutralität/Klimaschutzgesetz 2021).
Eine Investition in der nun vorliegenden Größenordnung muss in unseren Augen zwingend mittels einer vernünftigen Bedarfs- und Sport(raum)entwicklungsplanung abgesichert sein. Es müssen daher vorab, wie bereits mehrfach durch den organisierten Sport in der Vergangenheit eingefordert wurde, die wesentlichsten Zielgruppen & Stakeholder eingebunden und beteiligt werden. Klare Aussagen zu Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit sowie Nachhaltigkeit müssen erarbeitet und als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden. Insbesondere der zurzeit immer mehr in den Fokus rückende Aspekt der Nachhaltigkeit muss für den gesamten Lebenszyklus einer Sportstätte überprüft und zu einem klaren Ergebnis geführt werden. Gerade der nachhaltige und effiziente Umgang mit den Ressourcen unseres Planeten ist ein übergeordnetes Ziel auch für den Sportstättenbau. Neben den oben genannten Planungsgrundlagen fehlt uns darüber hinaus ein klares Finanzierungs-, ein Betreiber- sowie ein belastbares Sport- und Freizeitkonzept.

In einem derartigen Sport- & Freizeitkonzept sollte die mittel- und langfristige Nutzung der permanenten Infrastruktur dargestellt werden. Das Konzept macht quantitative und qualitative Angaben zu Nutzergruppen, Vereinen, Mannschaften und Kader sowie zur Durchführung von Trainings und Wettkämpfen. Im Hinblick auf eine Nutzung durch den Freizeitsport schaffen Markt- bzw. Bedarfsanalysen und/oder Sportentwicklungspläne entsprechende Grundlagen. Zwischen Sportkonzept und der Sport(raum)entwicklungsplanung müssen demnach klar ablesbare Zusammenhänge bestehen.

Alles in allem möchten wir betonen, dass eine reine Entscheidung zwischen Sanierung und Neubau auf Grundlage des Bürgerentscheids unter Berücksichtigung der oben erwähnten veränderten Rahmenbedingungen für uns nicht sinnvoll erscheint. Uns ist dabei bewusst, dass jegliche weitere Planungen & Analysen zu Verzögerungen führen. Ohne diese Maßnahmen halten wir eine Entscheidungsfindung jedoch für rein politisch getrieben und nicht auf Fakten basierend.

Darüber hinaus sehen wir zudem einen hohen (energetischen) Sanierungs- und Modernisierungsstau in der gesamten, im Landkreis vorhandenen Sportinfrastruktur, der den Kommunen sowie dem Landkreis in der Zukunft im finanziellen Bereich einiges abverlangen wird. Es muss daher beim Abwägungsprozess sichergestellt werden, dass der notwendige finanzielle Handlungsspielraum für Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen weiterhin vorhanden und perspektivisch ausgebaut werden kann (sowohl bei Landkreis als auch bei den Kommunen). Wir möchten in diesem Zuge auf das Teilziel der Verwaltung verweisen, sprich die Überarbeitung der investiven Sportförderrichtlinie. Auch den zunehmenden Problemen, z.B. in der Engagementförderung oder bei den aktuellen Energiekostensteigerungen, muss zukünftig Rechnung getragen werden. Wir appellieren daher an die Entscheidungsträger, dass eine mögliche Finanzierung nicht zu Lasten des gesamten organisierten Sports gehen darf. Hier sei beispielsweise die laufende und investive Sportförderung oder die kostenfreie Nutzung von Sportstätten genannt. Entsprechende Bedenken sind aus nachvollziehbaren Gründen beispielsweise durch die Vertreter der Vereine auf der Mitgliederversammlung des Sportverbandes Nordhorn geäußert worden.

Wir empfehlen daher nochmals die Durchführung einer kommunalen Sportentwicklungsplanung, um u.a. auch Rückschlüsse für den Bedarf einer Eissporthalle zu ziehen. Der Prozess wäre ergebnisoffen und hat eine klare partizipative Grundausrichtung.

Auszug aus dem Memorandum zur kommunalen Sportentwicklungsplanung der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft
„Sportentwicklungsplanung“ ist ein zielgerichtetes methodisches Vorgehen, um örtliche bzw. regionale Rahmenbedingungen für Sport und Bewegungsaktivitäten, insbesondere Sporträume, zu gestalten und in einem Gesamtkonzept festzulegen. Hierbei werden relevante Einflussfaktoren wie z. B. demographische Entwicklungen, gesellschaftliche Veränderungen bzw. spezifische Sporttraditionen ebenso aufgearbeitet wie empirische Bestandsaufnahmen, Perspektiven der Angebotsentwicklung und kommunalpolitische Rahmenbedingungen. Im Rahmen einer kooperativen Planung unter Beteiligung relevanter Akteure wie z. B. Stadtverwaltung, Sportorganisationen und Schulen werden entsprechende Daten zusammengetragen und durch die Entwicklung von Zielen und Maßnahmenkatalogen in einem Gesamtkonzept aufgearbeitet. Sportentwicklungsplanungen sind somit eine Mischung aus wissensbasierter Analyse, Planung und politischem Handeln. Entsprechende Planungsprozesse, häufig unterstützt durch Fachgutachter bzw. Prozessbegleiter, können die Zusammenarbeit innerhalb der Verwaltung wie auch grundsätzlich aller Akteure verbessern, politische Ziele klären, Prioritätensetzungen auf der Maßnahmenebene präzisieren und dadurch insgesamt das „Politikfeld Sport“ stärken, aber auch Impulse für neue Entwicklungen setzen.


Die bereits bestehende Verschuldung und die Bewältigung neuer sozialer Aufgaben haben in vielen Kommunen zu einer restriktiven Haushaltspolitik geführt. Sportentwicklungskonzepte sind unter Berücksichtigung der Haushaltslagen der Kommunen zu entwickeln. Es ist zu klären, was die Kommunen sich im Rahmen ihrer öffentlichen Daseinsvorsorge für den Sport in den Schulen und den Vereinen sowie in weiteren Bildungs- und Sozialeinrichtungen und für die Bevölkerung, die im öffentlichen Raum sportlich aktiv ist, leisten können und sollen. Bei einer Planung von Sportanlagen sind deren Lebenszykluskosten zu berücksichtigen.

Abschließend möchten wir betonen, dass wir die Notwendigkeit einer Sportentwicklungsplanung weder für noch gegen den Eissport verstanden wissen wollen. Wir sind es aber aus Sicht des organisierten Sports den Bürgerinnen und Bürgern des Landkreises schuldig, dass wir eine Investitionssumme von 17-20 Millionen € von allen Seiten beleuchtet und auf den Prüfstand gestellt haben.

Ein multifunktional und bedarfsorientiert ausgerichteter Neubau, der eine Multinutzung / Sommernutzung / Angebote von Trendsportarten ermöglicht, scheint für uns zielführend zu sein. Eine Sanierung der bestehenden Eissporthalle würden wir aufgrund der einseitigen und geringen weitergehenden Nutzungsmöglichkeiten, der unklaren Kostensituation, des hohen Energiebedarfs, der damit verbundenen Folgekosten sowie der geringen Möglichkeit der Einbindung von regenerativen Energien und Bautechniken als nicht zielführend sehen.

Gerne sind wir weiterhin bereit, unsere Expertise auch zukünftig in notwendige Entscheidungsprozesse oder Arbeitsgruppen mit einzubringen.“

Anm. der Redaktion: Das Schriftstück / der Brief liegt uns natürlich als original vor.