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Horror Tierschutzhof geräumt – 68 Hunde gerettet

Tierschutzhof: Hundeskelette in einer Knochengrube vor dem Hof. Foto: NordNews.de
Hundeskelette in einer Knochengrube vor dem Hof. Foto: NordNews.de

Emsland. Das, was sich auf einem sogenannten „Tierschutzhof“ in den letzten Jahren ereignet hat, ist mit Worten kaum zu beschreiben. „69 Hunde konnten wir deutschlandweit vermitteln, zwei Hunde mussten hier vorher sofort eingeschläfert werden und ein Hund wurde bei einer externen Tierschutzorganisation eingeschläfert. Somit sind im Moment 68 Hunde gerettet. Zudem haben wir heute noch einen mumifizierten Hund in einem Hühnerunterstand gefunden. Dazu kommen dann noch die unzähligen Hundeskelette in der „Knochengrube“ auf dem Hof“, erzählt und Nina Penné, zweite Vorsitzende des Vereines „Mensch mit Tier – Wir helfen Dir e. V.“ am Samstagvormittag.

Ein Huhn sitzt auf dem Kadaver eines Hundes. Foto: NordNews.de
Ein Huhn sitzt auf dem Kadaver eines Hundes. Foto: NordNews.de

Für viele Tierschützer ist es auch nach fast zwei Wochen Organisation immer noch nicht zu fassen, was sich auf einem Hof im Emsland zugetragen hat. Eine Vielzahl von Hunden wurde jahrelang unter schlimmsten Umständen gehalten. Kadaver von toten Hunden und anderen Tieren lagen in einer „Knochengrube“ auf dem Grundstück und wurden von umherlaufenden Hühnern als Futterstelle benutzt. Verwahrloste, abgemagerte, verfilzte Hunde teilten sich ihre Unterkunft mit Regenwasser und verschimmelten Kothaufen. Hunde wurden in kleinen Boxen gefangen gehalten, ohne dass sie sich artgerecht bewegen konnten. Und das scheint nach ersten Erkenntnissen nur der Anfang einer langen, traurigen Geschichte zu sein.

Vor gut zweieinhalb Wochen bekam der Verein „Mensch mit Tier – Wir helfen Dir e. V.“ einen Hinweis, dass es einen Hof gibt, mit unhaltbaren Zuständen. Es fand auf einem Hof eine Zwangsräumung statt. Diese Zwangsräumung fand statt, da es einen Eigentümerwechsel gegeben hatte. Die Mieterin / der Mieter hat danach keine Miete an den neuen Eigentümer bezahlt und Ende Februar kam es dann zu dieser Zwangsräumung.

Einer von vielen Hunden wartet auf die Rettung vom Tierschutzhof. Foto: NordNews.de
Einer von vielen Hunden wartet auf die Rettung. Foto: NordNews.de

Nachdem sich der neue Eigentümer ein Bild von der Lage auf dem Hof gemacht hatte, wurde sowohl der Verein „Mensch mit Tier – Wir helfen Dir e. V.“ als auch das Veterinäramt verständigt. Ein schnelles Eingreifen war hier erforderlich.

Über 70 Hunde und viel frei laufendes Geflügel wurden noch vor dem Eintreffen des Veterinäramtes von dem Verein versorgt. Selbst der neue Eigentümer stellte Futter zur Verfügung. Über eine sofort angelaufene Futterspendenaktion konnte eine weitere Abmagerung der Hunde verhindert werden. Da sich das Veterinäramt zu diesem Zeitpunkt noch kein Bild von der Lage gemacht hatte, begann der Verein alles Weitere vorerst zu organisieren.

Mehrere nicht angeschlossene Truhen mit verdorbenen Inhalt beanden sich auf dem "Tierschutzhof". Foto: NordNews.de
Mehrere nicht angeschlossene Truhen mit verdorbenen Inhalt befanden sich auf dem „Tierschutzhof“. Foto: NordNews.de

In einem ersten Schritt wurden alle Hunde per Foto erfasst. Es wurde dokumentiert um welche „Rassen“ von Hunden es sich handelt und aufgrund der Masse der Hunde wurden die „Zwinger“ mit Nummern gekennzeichnet. Schon bei dieser Organisation kamen die Tierschützer oftmals an ihre Grenzen. Verschimmelte Kothaufen in den Zwingern, verschimmeltes Fleisch in diversen, nicht angeschlossenen Truhen und auch ein toter Hund, der aus einer Hundehütte herausgeholt werden musste. Urinpfützen und auch überschwemmte Gehege waren die Norm.

Unhaltbare Zustände auf dem ganzen Tierschutzhof

Horror Tierschutzhof geräumt - 68 Hunde gerettet Foto: NordNews.de
Horror Tierschutzhof geräumt – 68 Hunde gerettet Foto: NordNews.de

Die Außengehege waren, durch den ständigen Regen, zum Teil überflutet, sodass die Hunde im Wasser standen. Futternäpfe waren in den Innengehegen und auch in den Außengehegen kaum bis gar nicht vorhanden.

„Sie müssen sich vorstellen, alle Außengehege sind mit Stromdrähte gesichert. Diese Stromdrähte haben aber auch Kontakt zu den Pfützen in den Gehegen. Die Hunde bekommen regelmäßig Stromschläge, auch wenn sie sich normal bewegen wollen“, zeigt uns Nina Penné direkt vor Ort, „Wir selber haben anfangs auch Stromschläge bekommen. Aber jetzt ist der Strom abgestellt“, führt sie weiter aus.

Im Innenbereich gab es mehrere unzumutbare Haltungen von Hunden. Foto: NordNews.de
Im Innenbereich gab es mehrere unzumutbare Haltungen von Hunden. Foto: NordNews.de

Schnell wurde dem Verein klar, dass hier Handlungsbedarf besteht. Unter anderem der Tierschutzverein Lingen und Umgebung spendetet Futter und war sofort bereit, drei Hunde zu übernehmen. Aber es blieb nicht bei der Futterspende und der Übernahme der Hunde. Der Tierschutzverein Lingen und Umgebung blieb auch die nächste Zeit und unterstützen den mit der Organisation beauftragten Verein „Mensch mit Tier – Wir helfen Dir e. V.“

Durch Gespräche mit dem Anwalt und den Eigentümer wurde beschlossen, dass der Verein „Mensch mit Tier – Wir helfen Dir e. V.“ ab sofort die alleinige Organisation dieses schlimmen Tierschutzfalles übernehmen sollte. Jeden Abend haben der Anwalt und auch der Eigentümer von dem Verein einen Tagesbericht erhalten. Sie waren immer aktuell informiert, was auf dem Hof über Tag passiert ist“, erklärt uns Nina Penné.

Verstorbener Hund mit einer Drahtschlinge im Gelenkbereich. Foto: NordNews.de
Überreste eines Hundes mit einer Drahtschlinge im Gelenkbereich. Foto: NordNews.de

„Das, was hier anscheinend seit Jahren gelaufen ist, das geht gar nicht. Wir haben Drähte gefunden, mit denen meiner Meinung nach Hunde drangsaliert wurden. Diese Drähte sind auch teilweise an den Gelenken an den Kadavern zu sehen. Zudem haben wir Hunde mit stark angeschwollenen Gelenken – was das bedeutet, soll sich bitte jeder selber überlegen“, erzählt uns Tanja Wohkittel, die erste Vorsitzende des Vereines Mensch mit Tier – Wir helfen Dir e. V.“ „Es ist einfach nur schrecklich und die Hölle. Hunde stehen in ihrem eigenen Kot und im Haus sieht es nicht besser aus. Dieser Tierschutzhof soll von dem Veterinäramt kontrolliert worden sein? Sind die denn blind? Wie oft waren die hier? Alle 15 Jahre?“, führt sie weiter aus.

Da es, so ergaben die weiteren Informationen, angeblich auch schon in der Vergangenheit tierschutzrechtliche Probleme mit der Mieterin / dem Mieter gegeben hat, kam es am 28. Februar 2020 zu einer gemeinschaftlichen Begehung mit dem Veterinäramt. Bei dieser Begehung wurde bekannt, dass es bereits im Vorfeld, auch in anderen Bundesländern, Probleme mit der Mieterin / dem Mieter gegeben hat. Schnell wurde durch das Veterinäramt mitgeteilt, dass die Erlaubnis nach § 11 Tierschutzgesetzt dem Mieter / der Mieterin entzogen werden würde. Weiterhin sagte das Veterinäramt zu, dass eine Haltungsuntersagung wegen Unzuverlässigkeit geprüft werden müsse. Voraussichtlich würde es in Zukunft eine solche Haltungsuntersagung gegen den Mieter / der Mieterin geben. (Anm. der Redaktion: Information des Gespräches durch den Anwalt des Eigentümers, der bei der Begehung vor Ort war).

Auch in anderen Bundesländern sei schon gegen den Mieter / die Mieterin wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz ermittelt worden. „Dennoch schafft es diese Person, von Bundesland zu Bundesland zu ziehen und immer mehr Hunde umzubringen, zu töten und dann wie Dreck irgendwie und irgendwo auf dem Grundstück verfaulen zu lassen, und keiner will es gesehen haben? Das kann mir doch keiner erzählen“, so Tanja Wohkittel weiter.

68 arme Seelen finden Neues zu Hause

Nach der gemeinsamen Begehung wurde dem Verein „Mensch mit Tier – Wir helfen Dir e. V.“ die Organisation zur Vermittlung der Tiere übergeben. Die komplette Organisation fand in enger Absprache zwischen allen Beteiligten statt.

Unzumutbare Haltungsbedingungen auch im Innenbereich. Foto: NordNews.de
Unzumutbare Haltungsbedingungen auch im Innenbereich. Foto: NordNews.de

Doch nicht nur im Außengehege, in einer recht großen Zwingeranlage und der „Quarantänestation“ sah es schlimm aus. Auch im Haus, in den Privaträumen, wurden Hunde gehalten. Die einzelnen Räume waren durch Gitter abgetrennt. Kleine Gitterboxen mit Hunden standen zusammen mit frei im Zimmer laufenden Hunden. Kot, Urin und der Geruch von Ammoniak waren während der letzten Wochen der ständige Begleiter.

Nachdem das Veterinäramt das „Go“ gegeben hatte, begann sofort die vorübergehende Vermittlung der Hunde nach ganz Deutschland. Chips wurden weiterhin ausgelesen und zugeordnet. Besonders aggressive Hunde wurden vor dem Abtransport besonders gesichert. Die Sicherheit aller stand immer im Vordergrund. Durch das Veterinäramt wurde eine Liste über gefährliche Hunde übergeben. Zehn als gefährlich festgestellte Hunde wurden in der Vergangenheit durch den Landkreis an den Mieter / die Mieterin übergeben. Natürlich galt es auch diese zehn Hunde in fachgerechte Hände zu vermitteln.

Nach knapp zwei Wochen war es dann so weit. Es sind 69 Hunde vermittelt worden. Doch leider gab es auch traurige Fälle. Zwei Hunde waren so schwer erkrankt, dass sie direkt auf dem Hof eingeschläfert werden mussten. Ein Hund wurde später bei einer Tierschutzorganisation eingeschläfert. Somit konnten insgesamt 68 Hunde gerettet werden. Der Hof ist nun geräumt und alle Hunde sind untergebracht und werden medizinisch betreut. Ob noch weitere Hunde sterben werden, kann aktuell noch nicht gesagt werden.

Fazit und Danksagung der Tierschützer

Die anwesenden Tierschützer fragen sich natürlich, wie es zu so einem Vorfall kommen kann. Über 70 Hunde auf eine Art „Gnadenhof“. Dieser „Gnadenhof“ wird vor Ort von vielen als „Höllenhof“ bezeichnet.

Trenngitter haben die verschiedenen Räume abgegrenzt. In fast jedem Raum des Hauses waren Hunde untergebracht. Foto: NordNews.de
Trenngitter haben die verschiedenen Räume abgegrenzt. In fast jedem Raum des Hauses waren Hunde untergebracht. Foto: NordNews.de

Nach der Räumung des Hofes kehrt nun, vorerst, Ruhe auf diesem Hof ein. Viele stellen sich natürlich auch die Frage, ob das Veterinäramt früher hätte eingreifen müssen. Viele stellen sich die Frage, warum die Mieterin / der Mieter auch heute noch so viel Unterstützung erfährt.

Da es sich bei den oben genannten Fragen um laufende Verfahren handelt, können diese Antworten im Moment noch nicht gegeben werden. Wir haben aufgrund der laufenden Ermittlungen auf die Nennung des Hofes, des Ortes und weiterer Namen verzichtet. Wir von NordNews.de waren stets vor Ort und konnten uns daher ein direktes Bild von der Situation machen. Auch für uns als Außenstehende war und ist die Situation vor Ort bedrückend und nicht so leicht wegzustecken.

Der Verein „Mensch mit Tier – Wir helfen Dir“ möchte sich auf diesem Wege bei allen Helferinnen und Helfern bedanken. Einen großen Dank auch an Chance zum Leben e. V., der Tierhilfe Wolfsburg sowie an den Tierschutzverein Lingen und Umgebung e. V. „Natürlich auch ein großes Danke an alle Tierschutzorganisationen, die schnell und unkompliziert Hunde aufgenommen haben“, sagt Nina Penné abschließend.

„Das, was da seit Jahren gelaufen ist, kann und darf es nie wieder geben. Wo waren die zuständigen Ämter und warum konnte es so weit kommen“, fragt sich Tanja Wohkittel und kämpft mit den Tränen

In eigener Sache:

Verrostete Käfigböden und mit Urin und Kot durchtränkter Boden. Foto: NordNews.de
Verrostete Käfigböden und mit Urin und Kot durchtränkter Boden. Foto: NordNews.de

Wir von NordNews.de waren während der ganzen Zeit oftmals vor Ort um alles zu dokumentieren. In Absprache mit dem Eigentümer und der Rechtsanwaltskanzlei van Lengerich in Lingen waren wir als einzige Personen zusammen mit dem Verein Mensch mit Tier – Wir helfen Dir e. V. berechtigt, Foto- und Filmaufnahmen anzufertigen. Es soll an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen werden, dass von anderen Personen gemachte Fotos oder Filme rechtswidrig sind und auch ggf. über die Anwaltskanzlei van Lengerich in Lingen verfolgt werden. Es dürfen ausschließlich Fotos veröffentlicht werden, die von „Mensch mit Tier – Wir helfen Dir e. V.“ oder NordNews angefertigt wurden.

Natürlich möchten viele nun weitere Bilder oder Informationen über den Tierschutzhof haben. Interessierte Medien oder sonstige Organisationen oder auch Behörden dürfen sich gerne über die Mailadresse

Redaktion@NordNews.de

an uns wenden. In enger Absprache mit dem Verein „Mensch mit Tier – Wir helfen Dir e. V.“, dem Eigentümer und dem zuständigen Rechtsanwalt wird dann entschieden ob und ggf. welche Fotos und welches Filmmaterial über den Tierschutzhof weiter gegeben werden können.

Titelbild: Mensch mit Tier – Wir helfen Dir e. V.