Lehren für die Zukunft: Landkreis Grafschaft Bentheim nimmt Umgang mit Weihnachtshochwasser in den Blick
Die Bilder des Weihnachtshochwassers 2023 sind vielen Grafschafterinnen und Grafschaftern noch gut in Erinnerung: Tausende Sandsäcke entlang der Hochwasserschutzeinrichtungen an Vechte und Dinkel, überschwemmte Felder und Wege, vollgelaufene Keller. Das Hochwasser rund um die Weihnachtsfeiertage und den Jahreswechsel hatte die Grafschaft Bentheim in Atem gehalten. Der Landkreis war zwar nicht so stark betroffen wie andere Regionen, dennoch waren insgesamt rund 1.000 Personen in die Bewältigung der Hochwasserlage aktiv eingebunden. Darunter Mitarbeitende der Kommunen und des Landkreises, der Wasserwirtschaft und natürlich vor allem Einsatzkräfte der Hilfsorganisationen, sprich der Freiwilligen Feuerwehren und der Kreisfeuerwehr, von THW, DLRG, DRK und Maltesern.
Die Ereignisse des letzten Winters hat der Landkreis Grafschaft Bentheim nun noch einmal im Rahmen des Fachsymposiums Hochwasser- und Starkregenereignisse aufgearbeitet. Welche Lehren lassen sich daraus ziehen? Wie ist die Zusammenarbeit gelaufen? Welche Präventionsmaßnahmen sind notwendig? Ist der Landkreis für künftige Hochwasserlagen gerüstet? Über diese Fragen diskutierten rund 120 Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Behörden und Institutionen, auch aus den Niederlanden, in Nordhorn. „Kein Zweifel, beim Weihnachtshochwasser sind wir mit einem blauen Auge davongekommen. Aber weitere Hochwasserlagen und Starkregenereignisse werden über kurz oder lang auf uns zukommen. Dafür müssen wir gewappnet sein – und eine Bekämpfung dieser Ereignisse geht nur mit vereinten Kräften“, machte Dr. Elke Bertke, die beim Landkreis als Dezernentin den Katastrophenschutz verantwortet, direkt zu Beginn des Symposiums deutlich.
Die Idee, die beiden Themenschwerpunkte Hochwassermanagement und Bevölkerungsschutz mit Fachvorträgen und Diskussionsrunden von mehreren Seiten zu beleuchten, stieß bei den Teilnehmenden auf positive Resonanz. In kurzen Vorträgen setzten sich Expertinnen und Experten mit verschiedenen Aspekten auseinander. So informierte etwa der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) über die Einführung einer neuen vierten Meldestufe für Pegelstände. Seitens der Lindschulte Ingenieurgesellschaft wurde die Überflutungsvorsorge und daraus resultierend die Bedeutung von Starkregengefahrenkarten und -risikokarten thematisiert. Mithilfe dieser Karten können besonders gefährdete Gebiete frühzeitig identifiziert und Maßnahmen zum Schutz von Mensch und Infrastruktur ergriffen werden. Mit Blick auf den Bevölkerungsschutz stellte Kreisbrandmeister Daniel Loehrke zudem die Führungssysteme bei Flächen- und Sonderlagen vor. So hatte beim Weihnachtshochwasser zum ersten Mal die Technische Einsatzleitung (TEL) ihren Betrieb aufgenommen. Durch die TEL war u.a. die Verbindung zwischen dem Kreisbrandmeister und den Stadt- bzw. Gemeindebrandmeistern gewährleistet und über die TEL wurden Schutzmaßnahmen, beispielsweise der Transport von Sandsäcken, abgestimmt.
In zwei Diskussionsrunden kamen Vertreterinnen und Vertreter von Behörden und Hilfsorganisationen zu Wort, die bei der Bekämpfung der Hochwasserlage selbst gefordert gewesen waren. Die Teilnehmenden warnten dabei vor einer sogenannten „Hochwasser-Demenz“ – die Gefahr von vergleichbaren oder gar schlimmeren Hochwasserlagen bestehe weiterhin. Prävention sei der Schlüssel, um künftigen Lagen besser begegnen zu können. Dazu gehört zum Beispiel die Bejagung von Nutrias. Der Nutriajäger der Landwirtschaftskammer Niedersachsen verwies darauf, dass etwa 1.000 dieser Nagetiere in der Grafschaft leben. Sie stellen ein Risiko für die Standfestigkeit der Verwallungen an Vechte und Dinkel dar. Über 100 Lebendfangfallen werden daher aktuell durch Jäger betreut und sollen zur Sicherheit der Hochwasserschutzeinrichtungen beitragen.
In den Diskussionen waren sich alle Beteiligten einig, dass die Zusammenarbeit zwischen den Behörden und Hilfsorganisationen elementar wichtig ist. Bei der vergangenen Hochwasserlage sei vieles gut gelaufen, es seien aber auch Schwachpunkte erkannt worden, die nun nachjustiert werden. So werden u.a. Einsatzpläne der Kommunen noch einmal angepasst, Katastrophenschutzschulungen werden verstärkt wahrgenommen, Fachberater und Hilfsorganisationen sollen im Ernstfall frühzeitiger eingebunden werden. Ganz praktisch geht es aber auch um die Anschaffung beispielsweise einer Sandsackfüllmaschine und von mobilen Deichanlagen, die über eine Landesförderung erfolgen soll. In Punkto Bevölkerungsschutz erarbeitet der Landkreis darüber hinaus ein kreisweites Warnkonzept. Ziel ist es, die Bevölkerung mit allen verfügbaren Warn- und Informationsmöglichkeiten über heraufziehende oder bereits eingetretene Gefahren bzw. Katastrophen zu warnen und Handlungsempfehlungen zu geben. Ein umfassendes, reaktionsschnelles und kreisweit einheitliches Warnsystem soll etabliert werden.
Die Präsentationen der Expertinnen und Experten, die beim Fachsymposium zu den Themenschwerpunkten Hochwassermanagement und Bevölkerungsschutz vorgetragen haben, sind auf der Internetseite des Landkreises unter www.grafschaft-bentheim.de/katastrophenschutz abrufbar.
Text: Landkreis Grafschaft Bentheim
Foto: Symbolbild eines „anderen“ Hochwassers