CORONAGrafschaft Bentheim

Mit einem starkem Team durch alle Turbulenzen: das Gesundheitsamt und die Corona-Pandemie

Ort: Das Gesundheitsamt am Bölt, es ist beinahe Mittagszeit. Aus den Autos auf dem Parkplatz werden einige Besucher einzeln hereingerufen – zum „Corona-Abstrich“. Im Wartebereich sitzen zur gleichen Zeit – mit dem nötigen Abstand – Amtsarzt Dr. Gerd Vogelsang und einige seiner „Mitstreiterinnen“ und „Mitstreiter“ im Kampf gegen die Pandemie. Angesagt ist ein kurzes Innehalten im über Wochen und Monate hochtourigen Geschäftsbetrieb, denn es soll ein kleines Zwischenfazit gezogen werden. Die Gesichter aller sind mittlerweile um ein ganzes Stück entspannter als zur Anfangszeit im März und April.

Gar so einfach fällt der Rückblick nicht. Zu vieles ist in den vergangenen rund 100 Tagen geschehen, mit einem Tempo und einer Intensität, dass es schwierig ist, Eckpunkte oder Eckdaten aus der Erinnerung herauszuschälen. Begonnen hat, so schildert es Gesundheitsinspektor Martin Oskamp, eigentlich alles bereits in der zweiten Februarhälfte. Erst waren es zwei Grafschafter, die vom Kreuzfahrtschiff „Diamond Princess“ heimkehrten, dann ein LKW-Fahrer, der aus den Niederlanden zurückkehrte. Den ersten „echten“ Fall in der Grafschaft gab es am 4. März. Und dann ging es rapide weiter. Anordnung der Quarantäne, Information über notwendige Verhaltensregeln und Überprüfung der Kontakte, um die Infektionsketten zu ermitteln. Das alles musste in schneller Abfolge geschehen und gewann im weiteren Verlauf zusätzlich an Dynamik.

(v.l.n.r.): Dr. Ana-Maria Blaja, Martin Oskamp, Stefanie Seeberg und Anke Heetlage. Foto: Landkreis Grafschaft Bentheim
(v.l.n.r.): Dr. Ana-Maria Blaja, Martin Oskamp, Stefanie Seeberg und Anke Heetlage. Foto: Landkreis Grafschaft Bentheim

„Ab dem 7. März, mit den Reiserückkehrern aus Italien und Österreich, hatten wir einen ungeheuer starken Anstieg an Anfragen und auch in der Zahl der Tests“, erinnert sich die Gesundheitsinspektorin Claudia Runde. Vor allem aber mussten Reiserückkehrer für 14 Tage in häusliche Absonderung geschickt werden. „Die Zahl der Anrufe im Gesundheitsamt ist steil nach oben geschnellt, darum war die Entscheidung, schon am 5. März ein Bürgertelefon einzurichten, eine echte Entlastung.“ Mitunter mussten 20 bis 30 Personen am Tag „abgestrichen“ werden – unter klaren hygienischen Vorgaben mit Schutzkittel, Schutzbrille, Maske und Handschuhen. Manche der Corona-Verdachtsfälle zeigten sich besorgt, andere stark  verunsichert. Einige der Betroffenen, die zum Test kamen, wiesen bereits schwerere Krankheitssymptome auf. „Da war schon viel Einfühlungsvermögen gefragt“, wissen Dr. Ana-Maria Blaja, Anke Heetlage und Stefanie Seeberg zu berichten. Jede Mitarbeiterin, jeder Mitarbeiter – alle im Gesundheitsamt mussten anpacken, um die ungeheuer große Aufgabe zu meistern. Auf gewisse Dienstleistungen wie die Einschulungsuntersuchung musste verzichtet werden. Und so übernahmen beispielsweise die Zahnärztin und die zahnmedizinischen Fachangestellten das Abstreichen.

„Das, wie auch das Bürgertelefon und später das Containment-Team, haben uns im wahrsten Sinne des Wortes den Rücken frei gehalten für die vielen Aufgaben, die ganz einfach bewältigt werden mussten“, lobt Dr. Gerd Vogelsang. Zu den drängenden Aufgaben gehörten die Abstimmungen mit den Kliniken, den Alten- und Pflegeeinrichtungen, der Ärzteschaft, dem Ministerium in Hannover oder sogar den Unternehmen. „Priorität Corona an sieben Tagen der Woche. Das hat unser Team eminent gefordert – aber das hat auch gezeigt: wir können das! Alle waren an Deck“, zeigt sich „Kapitän“ Vogelsang stolz.

Ein unübersichtliches Geschehen zu einem weitestgehend übersichtlichen und kontrollierbarem Geschehen machen, darauf komme es an. „Wir mussten schnell für große wie kleine Probleme Lösungen finden. Daneben die permanenten Regeln und Veränderungen, die uns mit der schnellen Abfolge von Erlassen und Verordnungen aus Hannover erreichten, verinnerlichen und umsetzen“, blickt Martin Oskamp zurück. Drohende Versorgungsengpässe an Material galt es frühzeitig zu erkennen. „Da hat uns das Team Beschaffung des Katastrophenschutzstabes hervorragend unterstützt.“ Wie in vielen Bereichen hat Corona auch im Gesundheitsamt als „Beschleuniger“ von Entwicklungen gewirkt. Bund und Länder arbeiten besser zusammen, die 375 Gesundheitsämter in Deutschland sind besser vernetzt, Systeme und Meldeverfahren wurden vielerorts durch neue Software-Lösungen dynamisiert.

„Wir sind mittlerweile in den Strukturen hier in der Grafschaft richtig gut aufgestellt“, bilanziert Vogelsang. Aber er stellt auch fest: „Ich hatte zu Beginn der Pandemie in Deutschland große Sorgen, weil ich mehr und auch mehr schwere Fälle befürchtet habe. Glücklicherweise wurde unsere vorhandene Kapazität an Beatmungsplätzen nie ausgeschöpft.“

Zurückzuführen sei der eher moderate Verlauf auch darauf, dass die Fläche, also die eher ländliche Grafschaft, einen Vorteil vor eng bevölkerten Gegenden und größeren Städten aufweise. Dennoch schwingt auch eine Spur Vorsicht mit, wenn Vogelsang feststellt: „Wichtig sind die Zahlen Ende Juni, wenn wir mehr darüber wissen, welche Folgen die Lockerungen zeigen. Wichtig auch: wo stehen wir nach den Sommerferien, wo Ende November nach der klassischen Erkältungswelle und wo Anfang Februar 2021?“ Man könne nur hoffen, dass die Bevölkerung sich trotz der Lockerungen weiterhin achtsam verhalte. So lange heiße es warten: warten auf einen Impfstoff, warten auf ein „Heilmittel“. „Das müssen wir als Gesellschaft aushalten“, zeigt sich Vogelsang nachdenklich. Einen Nebeneffekt wiesen die Maßnahmen aber außerdem auf: die Zahl aller Infektionskrankheiten sei aufgrund der Hygiene- und Abstandsregeln zurückgegangen.

Text und Foto: Landkreis Grafschaft Bentheim