Musik

nand – Die Eigendynamik von/m „Wohlfühlen“

Bei allen Diskussionen um Streaming, im Einzelfall ist die neue Technologie (die ja eigentlich gar nicht mehr so besonders neu ist) ein Segen. Durch die vereinfachte Möglichkeit Musik zu veröffentlichen, entstehen Künstlerkarrieren, die früher ohne Support von einer großen Plattenfirma undenkbar gewesen wären. Was passiert? Der Indie-Song eines bislang eher unbekannten Künstlers spricht sich aus Eigendynamik rum. Läuft bei Leuten auf Repeat. Wird weiterempfohlen. „Kennst Du nand? „Wohlfühlen?“ „Ne, noch nie gehört, schick mal.“ Beim jungen Artist nand war es genau so: Schnell erreicht dessen Songs „Wohlfühlen“ sechsstellige Streaming-Abrufe. Aus dem Nichts, ohne Werbung, ohne alles.



Aber fangen wir von vorne an… Ferdinand Kirch veröffentlicht im Jahr 2019 unter dem Künstlernamen „nand“ ein Album ohne echte Erwartungshaltung. Der Zugang zu einem DIY-Digital-Vertrieb wurde ihm eben erst zum Geburtstag geschenkt. Die 9 Tracks auf dem Album, das er programmatisch „gutgehen“ getauft hat, sind in einer schwierigen Phase seines noch jungen Lebens entstanden. Der ausgebildete Trompeter und autodidaktische Sänger und Produzent verarbeitet negative Erfahrungen, einen schweren Schicksalsschlag auf dem Album. Intuitiv und selbsttherapierend. Seine Motivation ist nicht, wie bei KollegInnen üblich, die Hoffnung reich und berühmt zu werden. Er schreibt sich mit der Musik zuallererst mal seinen Schmerz von der Seele und produziert sich selbst eine positive Momentaufnahme mit „Play“-Funktion. Schlaue Art von Eskapismus, könnte man sagen.
 
Kurz vor der ersten Millionen meldet sich eine Werbeagentur bei nand: Ob er sich vorstellen könne, den Song für eine Werbekampagne im Fernsehen zur Verfügung zu stellen? Ja, das kann er sich vorstellen. Kurz darauf läuft „Wohlfühlen“ Wochenlang im Fernsehen rauf und runter, auch im hochfrequentierten Abendprogramm, was logischerweise noch mehr Dynamik und Streaming- und Videoabrufe erzeugt. Zwick mich mal, denkt der junge Architektur-Student da noch. Das Musikvideo sammelt Hundertausende von Aufrufen. Nun geht’s plötzlich richtig rund. Künstler-Managements und Labels melden sich, Vertriebe, Verlage. Nand und sein Indie-Hit wecken Begehrlichkeiten.
 
Heute, im Juli 2021, steht „Wohlfühlen“ bei 1.800.000 Aufrufen alleine beim Streaming-Marktführer. Ferdi alias nand hat sich inzwischen ein komplettes Team um sich und seine Musik gescharrt. Um den Solo-Artist ist ein kleines Team gewachsen. Verrückt, wenn man bedenkt, dass er einfach mal ein Album aufgenommen und hochgeladen hat. Ein bisschen Märchenbuch-mäßig ist das alles schon, aber es ist natürlich auch noch ein weiter Weg. Nand hat Blut geleckt, Geschmack gefunden daran, dass Menschen mit ihm Kontakt suchen, weil sie ihm schildern möchten, wie sehr ihnen seine Musik gefällt und auch hilft. Wurde aus der eingangs beschriebenen Selbsttherapie also inzwischen sowas wie Gruppentherapie.
 
Der nächste Song ist für den 16. Juli angekündigt und ist dieses Mal keine ‚deepe Nummer‘, sondern was Leichtes für den Sommer: „Aperol Spritz“. Besingt den Italien-Urlaub. Nands musikalisches Spektrum ist breit. Was oft als Floskel ans Ende gesetzt wird, ist hier ein ernstgemeinter Ratschlag: Dranbleiben lohnt sich. Von diesem Künstler werden wir noch einiges hören! Und dann sind ja hoffentlich auch bald wieder Konzerte erlaubt.