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Nichts über uns – ohne uns – Fachtag zum neuen Behindertenrecht – Landkreis begrüßt über 160 Teilnehmer

Meppen. Als eine der größten Sozialreformen der vergangenen Jahrzehnte bezeichnete Sozialdezernentin Dr. Sigrid Kraujuttis die gesetzlichen Regelungen für Menschen mit Behinderungen, die mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) beschlossen wurden. Im Sinn der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen wird das Ziel verfolgt, Menschen mit Behinderungen eine umfassende gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Neu ist dabei insbesondere, dass diese Menschen stärker bei der Hilfegestaltung beteiligt werden sollen nach dem Motto „Nichts über uns – ohne uns“.

Nichts über uns – ohne uns - Fachtag zum neuen Behindertenrecht – Landkreis begrüßt über 160 Teilnehmer - Sozialdezernentin Dr. Sigrid Kraujuttis (l.) und die Referentinnen und Referenten führten am Fachtag in das neue Bundesteilhabegesetz ein. (Foto: Landkreis Emsland)
Nichts über uns – ohne uns – Fachtag zum neuen Behindertenrecht – Landkreis begrüßt über 160 Teilnehmer – Sozialdezernentin Dr. Sigrid Kraujuttis (l.) und die Referentinnen und Referenten führten am Fachtag in das neue Bundesteilhabegesetz ein. (Foto: Landkreis Emsland)

Kraujuttis konnte im Ludwig-Windthorst-Haus in Lingen über 160 Vertreterinnen und Vertreter von Kommunen sowie von Anbietern der Eingliederungshilfeleistungen aus dem Raum Weser-Ems begrüßen. Sie machte deutlich, dass der Gesetzgeber mit dem in Stufen in Kraft tretenden Gesetz ein modernes Teilhaberecht verwirklichen wolle, das sich an den Bedarfen dieser Menschen orientiere. Das Gesetz bewirke insoweit einen Paradigmenwechsel, der mit großen Herausforderungen für alle Beteiligten verbunden sei.

Für das Landessozialamt erläuterte Werner Welp, dass die Zuständigkeiten für die Hilfen neu geregelt werden. Bisher waren die Kommunen in Niedersachsen für die ambulanten Hilfen sowie alle Hilfen für Menschen mit Behinderungen über 60 Jahre und das Land für die teilstationären sowie stationären Leistungen zuständig. Ab 2020 werde sich die Zuständigkeit am Alter orientieren: Für Kinder und Jugendliche werden die Kommunen verantwortlich sein und für Erwachsene das Land Niedersachsen.

Wesentliche Änderungen ergeben sich auch dadurch, dass Hilfen künftig nach Fachleistungen und Hilfen zum notwendigen Lebensunterhalt (existenzsichernde Leistungen) bemessen werden. Dies stelle eine wesentliche Veränderung für die Betroffenen wie auch für Leistungsanbieter und Kostenträger dar.

Ziel des Gesetzgebers ist es auch, die Bedarfe von Menschen mit Behinderungen bundesweit nach einheitlichen Kriterien zu bemessen. Dazu soll künftig die „Internationale Klassifikation von Funktionsfähigkeit und Behinderung (ICF)“ dienen, die schon jetzt in vielen Ländern Anwendung findet. Hansjörg Mandler, Mandler-Coaching, erläuterte den Teilnehmern des Fachtages die Besonderheiten und zentralen Begriffe dieser Klassifikation. Teilhabe sei dann gegeben, wenn es einer Person (auch mit Behinderung) möglich ist, nach ihrer persönlichen Lebenssituation und zu ihrer Zufriedenheit sozial eingebunden zu sein.

Eine Besonderheit des BTHG ist zudem, Hilfen aus einer Hand zu gewährleisten. Auf sehr anschauliche Weise erklärte Kurt Ditschler, Dozent für Arbeits- und Sozialrecht, die neuen Anforderungen für die Sozialleistungsträger. Künftig sei der Sozialleistungsträger, der vom Hilfesuchenden zuerst angesprochen wird, der koordinierende Leistungsverantwortliche für alle beantragten Leistungen. Er gewährt die Leistung „aus einer Hand“ und der an sich zuständige Träger erstattet die Aufwendungen.

Wie sich das Ganze aus der Sicht der Träger und Leistungsberechtigten darstellt, wurde von Dr. Cornelia Kammann, Caritasverband für die Diözese Osnabrück, und von Michael Schikora, Mitglied des Werkstattrates beim Christophorus-Werk in Lingen, unter dem Motto „Wer hilft wem aus dem BTHG-Dschungel?“, erläutert. Ausdrücklich wurde betont, dass Wünsche und individuelle Bedarfe der Menschen mit Behinderungen im Rahmen von Selbstbestimmung künftig eine wichtige Rolle spielen. Einrichtungen und Betroffene wünschen sich, auch künftig in die erforderlichen Abläufe eingebunden zu werden. Schikora sieht hier durchaus auch noch einen Lernbedarf für Menschen mit Behinderungen, in diese Rolle hineinzuwachsen.

Text und Foto: Landkreis Emsland