Blaulicht

PI Emsland / Grafschaft Bentheim – Organisierter Callcenterbetrug in der Türkei – Falsche Polizeibeamte zu mehreren Jahren verurteilt

PI Emsland / Grafschaft Bentheim / Polizeipräsidium München / (ots) – Bereits am 3. Dezember 2020 kam es in der Türkei zu einem Schlag gegen die organisierte Kriminalität. Insgesamt wurden 67 Personen angeklagt und mit dem Gerichtsurteil am 26. September 2022 zu mehrjährigen Haftstrafen zwischen sechs Monaten bis 400 Jahren verurteilt (das Urteil ist noch nicht rechtskräftig). Bei der Festnahme konnte bei einem der Beschuldigten auf dem Bildschirm eines von ihm genutzten Computers ein Datenauszug zu einem Telefonanschluss einer damals 79-jährigen Frau aus Meppen festgestellt werden. Wie Ermittlungen ergaben, war diese am Vortag der Festnahme von einem vermeintlichen Polizeibeamten angerufen worden. Die Frau erkannte jedoch den Betrug und beendete das Gespräch. Aufgrund der geführten Ermittlungen und der in der Türkei aufgefundenen Beweismittel dürften aus diesem Callcenter heraus auch zwei im Jahr 2018 in Lohne und Lingen vollendete Taten gesteuert worden sein, die jeweiligen Geldabholer konnten zwischenzeitlich ermittelt und verurteilt werden. Im Sommer des Jahres 2020 kam es zu einer massiven Anrufwelle mit insgesamt etwa 200 Taten, bei den es glücklicherweise überwiegend bei Versuchstaten blieb. Lediglich bei je einer Tat in Haren, Meppen, Lingen und Herzlake gelang es den Tätern Vermögenswerte der jeweils Geschädigten zu ergaunern. Die Taten dürften ebenfalls diesem Callcenter zuzurechnen sein. Auch bei diesen Taten konnten die Abholer ermittelt werden. Diese befinden sich aktuell in Untersuchungshaft. Bei der Festnahme am 3. Dezember 2020 konnte zudem Vermögenswerte von umgerechnet 60 Millionen sichergestellt werden.

Pressemeldung der Polizei München dazu:

Gerichtsurteil in Izmir: 1.128 Jahre Haft für organisierten Callcenterbetrug in der Türkei; falsche Polizeibeamte

             -siehe Medieninformation vom 25.09.2020, Ziffer 1496

             -siehe Medieninformation vom 12.11.2020, Ziffer 1753

             -siehe 1. Nachtrag zur Medieninformation vom 03.12.2020, Ziffer 1868

Mehr als 35 Opfer und insgesamt über 120 Millionen Euro Schaden mit einem betrügerischen Callcenter – Das Landgericht Izmir in der Türkei verurteilte deshalb mehrere Angehörige dieses Callcenters zu hohen Haftstrafen (insgesamt 1.128 Jahre) und zog umfangreiche Vermögenswerte ein. Darauf hat Münchens Leiter der AG Phänomene Hans-Peter Chloupek am Montag (26.09.2022) nach dem Gerichtsurteil in der Türkei hingewiesen. „Die enge Zusammenarbeit mit den Behörden in der Türkei bei der Aushebung solcher Callcenter hat sich über Jahre hinweg etabliert und ist sehr gut“, so Chloupek. Er sei optimistisch, inzwischen gemeinsam eine gute Struktur entwickelt zu haben, um schnell und effektiv gegen die Täter vorgehen zu können. Der Leiter der Münchner AG Phänomene erklärte: „In intensiver und vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den türkischen Behörden sowie der OK-Abteilung der Staatsanwaltschaft München I konnten mehrere Tatverdächtige in diesem Ermittlungskomplex identifiziert und festgenommen werden. Das effiziente und koordinierte Zusammenwirken aller Strafverfolgungsbehörden hat hier diesen Erfolg erst möglich gemacht.“

Über ein Jahr wurde dieser langwierige Ermittlungskomplex unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen vor dem zuständigen Landgericht in Izmir verhandelt. Nach elf Prozesstagen sieht es die dortige Kammer für organisierte Kriminalität als erwiesen an, dass die insgesamt 67 angeklagten Personen schuldig sind und vor allem in München arglose Menschen um viel Geld gebracht haben. Der Leiter der Münchner AG Phänomene betonte: „Das ist ein Urteil mit Signalwirkung für ähnliche Verfahren im In- und Ausland.“ In der mehrstündigen Urteilsbegründung wurden die Führungsmitglieder, Telefonisten (sogenannte Keiler) und weitere beteiligte Personen zu mehrjährigen Haftstrafen (zwischen 6 Monaten und 7 Tagen bis 400 Jahren und 6 Monaten) u.a. wegen „Gründung einer Organisation zur Begehung von Verbrechen“ verurteilt sowie, die bei ihrer Festnahme am 03.12.2020 (Donnerstag), sichergestellten Vermögenswerte von umgerechnet über 60 Millionen Euro eingezogen. Chloupek erklärte: „Wir hoffen, dass damit die Opfer nun auch finanziell von den türkischen Behörden entschädigt werden können.“ Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Seit 2017 hatte die Münchner Polizei gemeinsam mit Kollegen aus Baden-Württemberg und des Bundeskriminalamtes (BKA) gegen Personen (mit offenbar leitenden Funktionen beim Betrieb) dieses betrügerischen Callcenter ermittelt. „Nach unseren Ermittlungen sind diese Bandenstrukturen ein Milieu mit höchster krimineller Energie, denn die Täter schrecken auch vor schweren Straftaten nicht zurück“, so Chloupek. Der nun verurteilte Bandenanführer hatte sich bereits 2012 in die Türkei abgesetzt und dort dann das Callcenter geführt. Als führendes Mitglied der Betrugsbande ist er maßgeblich für den Schaden mitverantwortlich. Er wurde bei einer spektakulären Aktion im Dezember 2020 zusammen mit den weiteren Mitgliedern dieser international agierenden Bande ebenfalls festgenommen.

Informationen zur AG Phänomene

Bandenstrukturen bilden im Bereich der organisierten Kriminalität in Deutschland häufig hierarchische Netzwerke innerhalb der tatverdächtigen Gruppierungen ab und agieren zunehmenden international. Bereits im Februar 2014 hat die Münchner Polizei auf diese Entwicklung reagiert und eine phänomenspezifische Ermittlungseinheit gegen den organisierten Callcenterbetrug eingesetzt. Diese wurde 2017 im Sinne einer ermittlungsübergreifenden Orientierung in „AG Phänomene“ unbenannt. Nach intensiver Kooperation mit den polizeilichen Partnern in Europa und der Welt konnten zuletzt wiederholt Festnahmeerfolge verzeichnet und die Ergebnisse polizeilicher Strafverfolgungsaktivitäten weiter verbessert werden. (https://www.polizei.bayern.de/aktuelles/pressemitteilungen/035936/index.html)