Musik

Saltatio Mortis – das kommende Album „Brot und Spiele“ bietet ein tolles Erlebnis

Mit einem Paukenschlag meldeten sich Saltatio Mortis im Jahr 2015 bei ihrem Publikum und der Öffentlichkeit zurück. „Wo sind die Clowns“, fragten sie im ersten Video zum damaligen Album „Zirkus Zeitgeist“ – mittlerweile auf YouTube millionenfach geklickt – und schlugen mit den darin enthaltenen Texten zum Teil ungewohnt kritische Töne an.

Vielleicht war das, was es dort zu hören gab, dem einen oder anderen zu düster und in seiner Themenwahl bisweilen einfach zu modern oder zu politisch. Aber Kunst ist bisweilen auch ein Spiegel der Realität und die Welt nicht nur voll Sonnenschein. Die Band bewegte sich ungeachtet aller Kritik in viel beachtete Gefilde: Nachdem bereits der Vorgänger „Das schwarze Einmaleins“ die Pole Position der Charts geentert hatte, sprach die Band auch mit ihrem zweiten Top 1-Album vielen Menschen aus der Seele. Für Saltatio Mortis gestaltete sich ihr „Zirkus“-Album damals als wichtiges Experiment, die Grenzen des für sie Machbaren auszuloten. Ein Wagnis, aus gewohnten Bahnen auszubrechen. Vielleicht sogar eine Notwendigkeit in einer Welt mit sich ständig ändernden Fragen, die immer neue Antworten erfordern.

„Brot und Spiele“, so lautet der Titel ihres neuen Albums, dem mittlerweile elften, wenn man konservativ nur die Studioalben zählt – das bereits neunzehnte, bezieht man sämtliche Live-Alben und eine Best Of-Sammlung mit ein. Drei Jahre haben sich die acht Spielleute Zeit gelassen, was sicherlich auch der imposanten Anzahl ausverkaufter Konzerte in den letzten Jahren geschuldet sein mag. Ganz bewusst haben sich die acht Musiker diese Zeit genommen, um dem so erfolgreichen Vorgänger einen mehr als würdigen Nachfolger zu spendieren. Dutzende Stücke wurden geschrieben, wieder verworfen, neu komponiert, wieder verbessert, mit jedem Schritt geradezu auf ihre Essenz destilliert und schließlich geflissentlich, ganz so wie früher geprobt: Alle Mann in einem Raum, laut und mitreißend und zwar so lange, bis auch der letzte überzeugt war: Ja, das ist es. So wollen wir klingen!

Entstanden ist ein in sich geschlossenes Album, in dessen zwölf Stücken sich all das verdichtet, was Saltatio Mortis immer schon ausgezeichnet hat: Themen, die berühren, aufregen und mitreißen. Rhythmen, die einen nicht nur mitwippen lassen, sondern dermaßen packen und an die erste Reihe eines Festivals erinnern; wahlweise auch gerne mit Crowdsurfing-Effekt. Brettgitarren, die bissig zuschnappen, wenn es härter zugehen soll, dem Song aber auch Platz geben, wo er gebraucht wird. Hymnische Melodien, die zum Mitsingen und auch zum Mitschreien verführen. Leidenschaftlich vorgetragen von Frontmann Alea und eben jenen Dudelsäcken, die seit so vielen Jahren – achtzehn, um genau zu sein – den einzigartigen Sound von Saltatio Mortis prägen.

Neben anderen historischen Instrumenten wie Drehleier und Bouzouki bilden vor allem die Dudelsäcke mit ihrer archaischen Urgewalt traditionell einen wichtigen Pfeiler im musikalischen Schaffen der Karlsruher. Trotz ihrer Vorliebe für das Vergangene klingen die Songs auf „Brot und Spiele“ modern und aktuell. Sie sind griffig arrangiert und produziert, echte „Hinhörer“. Anachronismus? Nein, danke. „Große Träume“ zum Beispiel, die wunderbar rockende Vertonung eines Lebensgefühls. Und doch so viel mehr als nur die Geschichte einer Band, die einst auszog, die Welt zu erobern. „Große Träume… und ein Stück Unsterblichkeit“, heißt es im Text. Ist es nicht das, was wir alle suchen – große Träume und Unsterblichkeit?

Die einstigen Spielleute sind vielseitiger geworden; vielleicht auch ein bisschen erwachsener und haben ihr Spektrum erstaunlich erweitert. Die Texte von Schlagzeuger Lasterbalk spiegeln das überzeugend wider, loten neue Tiefen des bisher schon detailreichen Schaffens aus und scheuen auch emotionale Themen nicht. So wie auf „Spur des Lebens“: Ein zunächst geradezu zerbrechliches Stück, das schließlich in einem großartigen Finale kulminiert und in dem es um eine der vielleicht wichtigsten Fragen im Leben eines Menschen geht – um Verantwortung und Hoffnung, aber auch um Unsicherheit und Zweifel im Gedanken an ein noch ungezeugtes, neues Leben. Das ist im besten Wortsinn großes Kopfkino mit Gänsehaut-Garantie. Im Duett mit Alea ist hier Martha Jandová, die Stimme von Die Happy zu hören, die dem Song durch mal zart gehauchte, mal kraftvoll-explosive Vocals einen intensiven, zusätzlichen Ausdruck verleiht.

Alles also Wohlfühlmucke und Kuscheloffensive? Mitnichten. Auch 2018 nehmen Saltatio Mortis kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, mutig eine Meinung zu vertreten und mit offenen Augen durch die oftmals verrückt erscheinende Welt zu gehen. Die durch „Zirkus Zeitgeist“ damals hinzugewonnene, neue Facette im Bandsound bleibt erhalten, wird aber pointierter und wandelbarer eingesetzt. Ganz bewusst nimmt die Band kontroverse Themen auf, ist dabei jedoch nie plakativ, sondern authentisch und am Puls der Zeit. Stücke wie „Europa“ und „Besorgter Bürger“ sind gleichermaßen Mahnmal wie Manifest; ein Bekenntnis zum Mit- statt Gegeneinander. Mit „Dorn im Ohr“ geben Saltatio Mortis das Versprechen ab, auch weiterhin da hinzuschauen, wo es wehtut und Missstände zu benennen. Ganz in der Tradition der mittelalterlichen Spielleute, deren Jahrhunderte alte Handwerkskunst einst die Grundlage für die beachtliche Karriere der Band bildete.

Sind Saltatio Mortis also noch eine Mittelalterband? Ja, und weitaus mehr als das. Als deutliche Antwort auf diese Frage und als Verneigung vor ihren treuen Fans beschenkt das Oktett seine Hörer auf der Limited Edition mit der exklusiven Bonus-CD „AD FONTES“ (lat. „Zurück zu den Wurzeln“) – zwölf zuvor unveröffentlichte, komplett akustisch-mittelalterliche Stücke, die manch andere Band des Genres vielleicht auch als reguläre Veröffentlichung durchgewunken hätte.

Zu den musikalischen Gästen auf „Brot und Spiele“ zählen Malte Hoyer von Versengold sowie Mr. Hurley (Mr. Hurley & die Pulveraffen), deren gemeinsame Geschichte mit Saltatio Mortis weit in die Zeit der Mittelaltermärkte zurückreicht. Was also lag näher, als die beiden bei einem Titel wie „Mittelalter“ um launige Unterstützung zu bitten – ein Anliegen, dem die beiden Special-Guests beim feucht-fröhlichen Studiotermin nur zu gerne nachkamen.

Den Slogan „Wer tanzt, stirbt nicht!“ hatten Saltatio Mortis bereits vor vielen Jahren als ihr ureigenes Motto ausgerufen. Und ja, auch zu ihrem neuen Album lässt sich mit Sicherheit vortrefflich tanzen. Die im Vergleich zum Vorgänger deutlich spürbare Lebensfreude verkommt jedoch nicht zum Selbstzweck. Es wird auch innegehalten und reflektiert, sich Zeit genommen für die leisen Töne, aber nach wie vor auch für laute Empörung im Angesicht himmelschreiender Dummheit und Ungerechtigkeit. Dabei klingt die Band so authentisch und kraftvoll, so erwachsen und geerdet, wie noch nie zuvor.

Brot und Spiele? Wir schließen mit einem sinngemäßen Zitat: „Wahlen sind eine bloße Formalität, das Volk ist entmachtet und fühlt sich ungehört. Die Herrschenden sind so weit weg von der Realität des Volkes, so dass die Kluft zwischen Herrschendem und Beherrschten immer größer wird. Das Volk wird politikverdrossen und verliert das Vertrauen in seinen Staat. Die Unterhaltungsindustrie wird zum alleinigen Thema und das tägliche Brot, so ungesund es auch sein mag, steht den vermeintlich Privilegierten stets ausreichend zur Verfügung.“

Klingt das vertraut? Solche Sätze fallen heute in jeder zweiten Kommentarspalte und werden von den radikalen politischen Kräften fleißig kolportiert. In der Tat stammt dieses sinngemäße Zitat aber aus einer Satire des römischen Dichters Juvenal aus dem 1. Jahrhundert. Diese Realität führte im republikanischen Rom zur Machtergreifung der Cäsaren und Diktatoren. Soweit wollen wir es nicht kommen lassen, aber darüber auch nicht die schönen Seiten des Lebens vergessen.

„Brot und Spiele“-Tour 2018
18.10.2018 AT Graz, PPC
19.10.2018 AT Linz, Posthof
20.10.2018 CH Zürich, Dynamo
25.10.2018 AT Wien, Simm City
26.10.2018 München, Tonhalle
27.10.2018 München, Filharmonie
02.11.2018 Würzburg, Posthalle
03.11.2018 Oberhausen, Turbinenhalle
09.11.2018 Berlin, Huxleys
10.11.2018 Hamburg, Mehr! Theater
23.10.2018 Wiesbaden, Schlachthof
24.10.2018 Dresden, Alter Schlachthof