Musik

Bell, Book & Candle veröffentlichen neues Studioalbum am 16.03.18

Wie sollte man sich dem neuen Album von Bell Book & Candle nähern? Am besten, in dem man vergisst, was man bisher über diese Band zu wissen glaubte. Bis auf eines natürlich: Jana Groß, Andy Birr und Hendrik Röder sind noch immer zusammen, sie haben im Leben und im Biz so ziemlich alles erlebt, was möglich ist. Sie sind in jenem Alter angekommen, dass man das Beste nennt: Leidenschaft und Sensibilität mischen sich mit freundlicher Gelassenheit und einer entspannten Sicht auf die Dinge. Kreativ waren sie natürlich schon immer, aber sie haben einen Grad an Sicherheit im Umgang mit den musikalischen Mitteln erreicht, der es ihnen erlaubt, aus den Melodie-Ideen, an denen es ihnen nie mangelte, gänzlich unverkrampft alles herauszuholen.

Diese Reife trifft auf den Zauber, der jedem Neubeginn innewohnt: „Wie wir sind“ ist ihr erstes deutschsprachiges Album. Eigentlich eine logische Konsequenz. Schon immer hatte Sängerin Jana Groß, von der alle Texte kommen, auch auf Deutsch getextet. Wer das Album zum ersten Mal hört, könnte spontan fragen: Warum nicht schon immer? Doch das ist zu kurz gesprungen. Denn es hat genau diese Jahre der künstlerischen Reifung gebraucht. Es ist diese erwachsene Sicht auf persönliche Beziehungen, das Erleben wirklichen Glücks ebenso wie endgültiger Abschiede, die abgeklärte Perspektive auf scheinbar Alltägliches, mit dem sie den Hörer nun ziemlich genau in dessen eigener Lebensmitte abholen. Dabei geht es nicht um eindimensionale Weisheiten: Jana Groß öffnet einen Blick in eigene Gedankenwelten, doch jeder wird diese Zeilen für sich selbst ausdeuten können.

Mitunter nisten sich die Melodien schon in den Gehörgängen ein, bevor sich der Song vollends erschließt. Gleich der Opener, das Titelstück des Albums, ist so einer. Zuerst ein Lied zum Mitsingen und Mitwippen, doch dann so viel mehr: eine Hymne auf das Selbstvertrauen, über den Mut, neues zu wagen. Eine bisher nicht gekannte Intensität von Bell Book & Candle entwickelt sich in Liedern wie „Nullpunkt“, „Wartesaal“ und „Durch die Jahre“. Während „Nullpunkt“ den Umgang mit Abschied und Trauer thematisiert, ist „Wartesaal“ die Geschichte eines alten Paares, denen auch die Demenz nicht ihr gelebtes Leben und ihre Liebe nehmen kann, und „Durch die Jahre“ erzählt von einer Obdachlosen, die von der Hoffnung zehrt, aber den Teufelskreis nicht durchbrechen kann.

Ähnlich nahbar ist „Sieben Seen“, die nicht immer leichte Einsicht, seine Kinder nicht nur lieben, sondern im richtigen Moment auch loslassen zu können. Und „Wo willst du hin“ führt an den Punkt des Lebens zurück, an dem sich die Weichen erst stellen. In „Woran glauben wir“ geht es um die Wichtigkeit der eigenen Positionierung, aber auch um die Schwierigkeit, im Irrenhaus namens Welt einen klaren Kopf zu bewahren.

„Ich bin wie keine“ handelt augenzwinkernd von der Nichtakzeptanz eines Liebesendes, weil es schließlich nur eine geben kann. Und auch wenn „Déjà-vu“ nicht klären kann, ob es ein Leben nach dem Tod gibt – wohl aber ein Leben vor dem Leben, wie sollte man sich sonst all die Déjà-vus erklären können? Die schönste Liebeserklärung seit langem gibt es mit „Liebeslied“. Es richtet sich nicht zwangsläufig an den Partner, sondern an jemanden mit der Gabe, im richtigen Moment da zu sein, Licht ins Dunkel zu bringen. „Es gibt Menschen, die sind Lieder / und du bist ein Liebeslied“ heißt es darin.

Vielleicht ein Stück weit auch eine Erklärung an ihren Produzenten Ingo Politz. Denn es gibt eine Vorgeschichte. Die zählt über zwei Millionen verkaufte Tonträger, Platin in Deutschland und Österreich, Gold in Schweden und Spanien. Preise von der Goldenen Kamera bis zur Goldenen Europa, zwei Alben in den Charts, dazu fünf Singles, allen voran den gesamteuropäischen Evergreen „Rescue Me“. Ingo Politz feierte mit Bell Book & Candle seine ersten Produzentenerfolge. Heute zählt er zu den renommiertesten Machern der Branche. An der Studiowand hängen neben viel Edelmetall auch Platinscheiben für Silbermond und Silly.

„Wie wir sind“ ist auch eine Art Familienzusammenführung. Zusammen gelang ihnen unter diesem guten Stern ein außergewöhnlicher Wurf von Kraft und Zärtlichkeit, Individualität und Zusammengehörigkeitsgefühl. Vielleicht hat die Story von Bell Book & Candle jetzt erst richtig begonnen.