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Vier Frauenporträts ergänzen emsländische „Ahnenreihe“ – Bilder von Jutta Giersch, Jutta von Ravensberg, Maria Mönch Tegeder und Margarethe Heinze hängen im Sitzungszimmer 1

Meppen. Vier Frauen haben im Sitzungszimmer 1 der Meppener Kreisverwaltung einen Platz erhalten: Gerahmte Porträts von Jutta Giersch, Jutta von Ravensberg, Maria Mönch Tegeder und Margarethe Heinze hängen nun an den Wänden des Raumes und ergänzen damit die bis vor kurzem noch männerdominierte emsländische „Ahnenreihe“.

„Die Frauenporträts sind im Vorfeld des 25-jährigen Jubiläums des Gleichstellungsbüros des Landkreises Emsland ausgewählt worden und beim Festakt am 27. November 2017 erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt worden“, erläutert Landrat Reinhard Winter. Seit kurzem hängen sie nun im Sitzungsraum und weitere Frauendarstellungen sollen folgen. „Es sind aktuell 18 Bilder im Sitzungszimmer vorhanden, davon 14 Männer und vier Frauen. Jetzt arbeiten wir an der Parität. Es gibt bereits eine Liste mit ausgewählten Frauen, die dort gut hinpassen würden – in diese ,Hall of fame´ des Landkreises Emsland“, sagt Gleichstellungsbeauftragte Marlies Kohne. Es werde nun nach und nach ergänzt.

Vier Frauenporträts ergänzen emsländische „Ahnenreihe“ - Bilder von Jutta Giersch, Jutta von Ravensberg, Maria Mönch Tegeder und Margarethe Heinze hängen im Sitzungszimmer 1 - Zu erkennen sind im Hintergrund die Fotos von Margarethe Heinze, Maria Mönch Tegeder und Jutta Giersch (v. l.). Landrat Reinhard Winter und Gleichstellungsbeauftragte Marlies Kohne halten das Porträt von Jutta von Ravensberg in Händen. (Foto: Landkreis Emsland)
Vier Frauenporträts ergänzen emsländische „Ahnenreihe“ – Bilder von Jutta Giersch, Jutta von Ravensberg, Maria Mönch Tegeder und Margarethe Heinze hängen im Sitzungszimmer 1 – Zu erkennen sind im Hintergrund die Fotos von Margarethe Heinze, Maria Mönch Tegeder und Jutta Giersch (v. l.). Landrat Reinhard Winter und Gleichstellungsbeauftragte Marlies Kohne halten das Porträt von Jutta von Ravensberg in Händen. (Foto: Landkreis Emsland)

Mit Jutta Giersch, geborene Kubowsky, wurde die erste Frauenbeauftragte des Landkreises Emsland durch das Foto im Sitzungsraum gewürdigt. Sie wurde am 29. April 1928 in Berlin-Britz geboren. Nach dem Wirren des Zweiten Weltkriegs ging sie nach Hamburg, wo sie erste Lokalreportagen verfasste. Ende 1946 kehrte sie ohne Genehmigung, eingeschlossen in einen Lokomotivtender, über die grüne Grenze wieder nach Berlin zurück. Dort absolvierte sie die Handelshochschule und begann als Werbeassistentin zu arbeiten. Nebenher schrieb sie für die Berliner Zeitungen. Am 13. Oktober 1949 wurde sie aus Westberlin gemeinsam mit einem Journalisten vom Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten (NKWD) entführt und durch das Sowjetische Militärtribunal wegen angeblicher anti-sowjetischer Hetze und Spionage zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Knapp sieben Jahre war sie u. a. in Sachsenhausen inhaftiert, ehe sie 1956 – auf Bewährung entlassen – nach Berlin zurückkehrte. 1959 heiratete sie Franz Giersch und zog 1962 nach Heidelberg, wo er sein Medizinstudium abschloss und sie in einem Versicherungskonzern arbeitete. Ihre Leidenschaft für den Journalismus kam sie als freie Mitarbeiterin für Rundfunk und Presse nach. 1976 kam sie nach Twist, wo ihr Mann eine Landarztpraxis übernahm. 1983 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz für ihr Engagement im Bundesvorstand der „Vereinigung der Opfer des Stalinismus“, die die Interessen von politisch Gefangenen und Verfolgten vertrat. Ihre politische Arbeit fand im Emsland u. a. Ausdruck durch ihre Ratszugehörigkeit in Twist und als CDU-Kreistagsabgeordnete von 1986 bis 1991. Sie war stellvertretende Kreisvorsitzend der CDU Meppen, Beisitzerin im Landesvorstand Hannover-Land der CDU-Frauenvereinigung, Mitglied im Fachausschuss für Deutschlandpolitik des Landes Niedersachsen und nahm von 1987 bis 1991 das Amt der ersten Kreisfrauenbeauftragten des Landkreises Emsland wahr. 1992 erhielt Jutta Giersch für die von ihr geleistete Pionierarbeit auf dem Gebiet der frauenpolitischen Fragen 1992 die Emsland-Medaille. Sie verstarb am 17. November 1992.

Jutta von Ravensberg fand als historische Persönlichkeit Eingang in die Reihe der Porträts. Sie wurde um 1231 geboren und verstarb nach 1302. Sie spielte für die territoriale Entwicklung des Emslandes im Mittelalter eine entscheidende Rolle. Als herrschaftlich stark zersplitterter Raum versuchten die geistlichen Territorialherren, die Bischöfe von Münster und Osnabrück sowie der Abt des Klosters Corvey, und auf weltlicher Seite die Grafen von Tecklenburg und Ravensberg, ihre Besitztümer zu bündeln. So wurde Jutta von Ravensberg mit Heinrich von Tecklenburg 1231 verlobt, um die Interessen der beiden Familien auszugleichen. Die mit der Heirat angestrebte Bildung einer tecklenburgischen Großgrafschaft wurde aber mit dem frühen Tod Heinrichs von Tecklenburg im Jahr 1248 zunichte gemacht. Es gab keinen männlichen Erben. Von nun an regierten Jutta von Tecklenburg und ihre Mutter Sophie. Als Jutta 1251 in zweiter Ehe den Grafen Walram von Montjoie, dessen Herrschaftsmittelpunkt in der Eifel um Monscherau herum lag, heiratete, übertrug Jutta ihren Besitz im Nordwesten an den Bischof von Münster. Der Bischof von Münster stieg in der Folge zum größten Territorialherren im Nordwesten auf. Juttas Bindung an ihre Heimat blieb indes bestehen, denn 1297 bestimmte sie, im Kloster Bersenbrück beigesetzt zu werden.

In den Jahren 1945/46 kamen täglich Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten auf dem Bahnhof in Lingen an. Eine von ihnen war Margerethe Heinze, geboren 1903 in Ullerdorf (Schlesien). Auch ihr Bild findet sich nun im Sitzungsraum 1. Ab dem elften Lebensjahr lebte sie nach dem frühen Tod von Eltern und Geschwistern bei Pflegeeltern. Sie machte Abitur, arbeitete als Handelsschullehrerin, heiratete, gebar drei Kinder. Als ihr Mann 1944 als Soldat in Frankreich fiel, kam sie nach einer schreckensvollen Achttagefahrt in einem Eisenbahnviehwagon in Lingen an. Die Familie findet ihr erstes Zuhause in Listrup in einem Zimmer auf einem Bauernhof.1948 wird sie im Lingener Landratsamt in das Amt der Beratungs- und Betreuungsstelle für Flüchtlinge und Kriegsheimkehrer berufen. Für etwa 12.000 Menschen, die oft noch in Tanzsälen und Turnhallen untergebracht waren, war sie Bezugsperson. Ab 1948 war sie für lange Zeit einzige Kreistagsabgeordnete und schaffte es, andere Kreistagsmitglieder auf die elenden Zustände der Flüchtlingsunterkünfte aufmerksam zu machen. Von 1956 bis 1964 gehörte sie dem Lingener Stadtrat an. Sie setzte sich für verschiedene Projekte ein, wie u. a. ein Altenwohnheim für Einheimische und Flüchtlinge (heute Haus Simeon). 1960 schied sie aus dem Kreistag aus. Als erste Frau in Niedersachsen erhielt Heinze 1952 das Bundesverdienstkreuz am Bande. 1964 verstarb Margarethe Heinze durch einen tragischen Unfall.

Als bedeutende Kulturschaffende für das Emsland hat es Maria Mönch Tegeder in die emsländische „Ahnenreihe“ geschafft. 1903 geboren, durchlief sie zunächst eine Ausbildung zur Gewerbelehrerin für hauswirtschaftliche Fachschulen. Danach führten sie ihre Wanderjahre über Berlin, Schlesien, ins Paderborner und Osnabrücker Land, nach Recklinghausen und Bad Harzburg, bevor sie 1936 in Meppen als Kreisberufsschullehrerin ihren Lebensmittelpunkt setzte. Sie war bekannt für ihre hochdeutschen und plattdeutschen Texte, die meist von ihren Reisen und dem Emsland handelten. Um 1950 arbeitete sie zudem für die Landjugendfestspiele und schrieb plattdeutsche Theaterstücke. Sie veröffentlichte immer wieder Texte im Jahrbuch des Emsländischen Heimatbundes sowie in der lokalen Presse und machte sich durch ihre plattdeutschen Vortragsabende bekannt. Sie verstarb am 31. Dezember 1980.

Text und Foto: Landkreis Emsland