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Neue Grafschafter Selbsthilfegruppe für Zwangserkrankte – erstes Treffen am 20. Juni 2024

Rund zwei Millionen Deutsche leiden an einer Zwangserkrankung: So auch eine Frau aus der Grafschaft Bentheim, die ihren Namen nicht öffentlich nennen möchte. Zwänge können in den unterschiedlichsten Formen auftreten, vom vergleichsweise verbreiteten Wasch- oder Kontrollzwang bis hin zu Varianten, die auf Außenstehende sehr kurios wirken – etwa der innere Drang, nur bestimmte Steine auf dem Bürgersteig betreten zu dürfen. Im Fall der Grafschafterin ist es die irrationale Angst, andere Menschen mit Krankheiten anzustecken. Sie plant nun, eine Selbsthilfegruppe zu gründen, um sich mit anderen Betroffenen austauschen zu können. Ein erstes Treffen ist für Donnerstag, 20. Juni 2024, um 17 Uhr vorgesehen. Interessierte können sich dafür bei Dr. Annegret Hölscher, Leiterin der Selbsthilfekontaktstelle des Landkreises Grafschaft Bentheim, telefonisch unter 05921 96 1867 oder per E-Mail annegret.hoelscher@grafschaft.de anmelden. Nach der Anmeldung erfahren sie den genauen Ort der Zusammenkunft.

Betroffene über ihre Erkrankung: „Ich weiß, dass ich übertreibe und trotzdem kann ich nicht anders“

„Es begann mit Mitte 30, da erlitt ich einen Nervenzusammenbruch“, erinnert sich die Betroffene aus der Grafschaft. Ihre eigenen Kinder hatten die Windpocken und ihre Schwägerin war schwanger. „Mich plagte die Angst, dass die Kinder meine Schwägerin anstecken und so auch dem ungeborenen Kind schaden könnten.“ Was zunächst noch fürsorglich anmuten mag, war für die Frau die reinste Tortur: „Ich habe mich völlig verrückt gemacht und kaum noch etwas gegessen.“ Auch als ihre Kinder längst wieder gesund waren, behielt sie sie noch einige Zeit zu Hause. Schließlich suchte sie eine Ärztin auf, für die der Fall sofort klar war: „Sie gab mir ein Buch mit und ich habe mich auf jeder Seite wiedergefunden.“ Es folgte eine stationäre Behandlung in einer psychosomatischen Akutklinik.

Vor anderen konnte sie ihre Zwangserkrankung stets gut verheimlichen, berichtet sie. Ihr eigener Ehemann war es letztlich, der ihr ans Herz legte, sich in Behandlung zu begeben. Eine wirkliche Chance auf Heilung besteht allerdings nicht, sagt sie: „Ich muss lernen, damit zu leben, und das ist schwer. Ich brauche viel Struktur, viel Ruhe und Schlaf, weil die Zwänge so anstrengend sind und mir die Kräfte rauben. Die Gedanken wiederholen sich ständig.“ Was ihr helfe, seien viel Bewegung und weitere Möglichkeiten der Ablenkung. Gut getan haben ihr auch die Gespräche in einer „Zwangs-Gruppe“ während ihrer Zeit in der Klinik, berichtet sie. Dort habe sie sich nicht verstellen müssen und sei unter Leuten gewesen, die ihre Probleme nachvollziehen konnten. Man habe sogar viel zusammen gelacht. Solche Erfahrungen erhofft sich die Frau auch von der neuen Selbsthilfegruppe in der Grafschaft.

Bald feiert die betroffene Grafschafterin einen runden Geburtstag, was für sie gewissermaßen zur Belastungsprobe wird. Sämtliche Speisen bereitet sie nicht selbst zu, sondern gibt alles aus der Hand – um nicht verantwortlich dafür zu sein, falls einer der Gäste erkranken sollte. „Ich weiß genau, dass ich völlig übertreibe“, beschreibt die Frau ihr Leiden, „und trotzdem kann ich nicht anders.“

Nähere Informationen rund um das umfangreiche Selbsthilfeangebot in der Grafschaft finden Interessierte online unter www.selbsthilfe.grafschaft-bentheim.de.

Text: Landkreis Grafschaft Bentheim