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Vom Aussterben bedrohter Waldrapp „Horst“ falsch abgebogen und gerettet

Vom Aussterben bedrohter Waldrapp „Horst“ falsch abgebogen und gerettet – Österreichische Jungvögel statt nach Süden in den Norden aufgebrochen

Mitte Januar bekam Dr. Dirk Wewers, Kurator im Tierpark Nordhorn, einen Anruf von der
Projektkoordinatorin des Europäischen Waldrapp-Projektes, Regina Kramer, aus Wien. Die
hauptamtliche Artenschutzkoordinatorin im Tierpark Schönbrunn bat um Unterstützung, da
im Friesischen Wangerland ein Waldrapp aufgegriffen wurde.
Waldrappe sind vom Aussterben bedrohte Vögel, die im Mittelalter im Alpenraum noch
häufig anzutreffen waren. Nur dank der Artenschutzarbeit von Zoos konnte diese seltene Art
bis heute überleben. Mit Hilfe von Nachzuchten in Zoos konnten sogar wieder Brutkolonien
im Alpenraum angesiedelt werden. Aus einer dieser Kolonien stammt auch „Horst“.

Bereits im Dezember war der große Ibis schon einmal im Wangerland gesichtet worden,
dann aber wieder verschwunden. Nach neusten Meldungen saß der Vogel dann im Januar
wieder auf einem Feld und bewegte sich von dort auch in der Dunkelheit nicht fort. Er wurde
daher von einer Privatperson gefangen und nach Rücksprache mit der Koordinatorin unter
Mithilfe befreundeter Ornithologen nach Nordhorn gebracht, wo kurzfristig ein Platz in der
Quarantänestation des Zoos eingerichtet werden konnte.
Die Österreichische Koordinatorin hatte den Wangerländern noch zugesagt einen Namen für
den besonderen Vogel aussuchen zu dürfen und so wurde das Tier, ohne zu wissen ob
Männlein oder Weiblein, zu „Horst“. Ein erster Gesundheitscheck im Tierpark ergab, dass
der Vogel einen gesunden, wenngleich etwas dünnen Eindruck machte.

Wie kommt ein Waldrapp ins Wangerland?
Was man weiß ist, dass „Horst“ in Kuchl bei Salzburg geschlüpft ist. Dabei handelt es sich
um die einzige von mittlerweile vier wieder angesiedelten Waldrapp-Brutkolonien, die bereits
komplett wild in der Felswand und ohne künstliche Strukturen brüten. Aus diesem Grund
sind die Vögel auch nicht beringt oder mit GPS Sendern versehen. Sie werden nur aus der
Ferne beobachtet: 2023 gab es dort 7 Nester mit insgesamt 21 flüggen Jungvögeln.
Im Oktober sammelten sich Waldrappe aus verschiedenen Brutkolonien der nördlichen
Alpen, um ihren Winterzug in Richtung Toskana anzutreten. Dabei müssen die Jungvögel
das Zugverhalten erst lernen. Ältere Vögel bringen es ihnen normalerweise bei, indem man
gemeinsam in den Süden fliegt. Allerdings ist Ende Oktober 2023 eine große Gruppe von
Jungvögeln nach Norden aufgebrochen. Insgesamt 32 Jungvögel tauchten in Schweden,
Dänemark und Norddeutschland auf. Von den 32 „Nord-Fliegern“ sind bislang 11 nach
Österreich zurückgekommen. Ein Vogel verstarb, einer ist in der Konrad Lorenz
Forschungsstelle in Grünau, 9 Vögel wurden ins Überwinterungsgebiet in die Toskana
verbracht, 3 weitere wurden bei Hamburg aufgegriffen – und „Horst“ nun im Wangerland.

Wie es weitergeht mit „Horst“ wird Dr. Dirk Wewers mit den Koordinatoren des Waldrapp-
Projektes in Kürze besprechen. Da „Horst“ nun in Menschenobhut in Deutschland ist,
benötigt er zunächst einmal natürlich vernünftige Papiere. Dann werden die bestehenden
Möglichkeiten geprüft. Da der Jungvogel nun keinen Anschluss an andere Waldrappe hat, ist
unklar, ob er wieder ausgewildert werden kann. Vielleicht wird „Horst“ ja ein echter
Grafschafter und bleibt als wertvolle, genetische Auffrischung in der Waldrapp-Gruppe im
Rahmen des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EEP) des Familienzoos und wird so
in Zukunft möglicherweise sogar selbst Stammvater weiterer ausgewilderter Waldrappe.

Text: Tierpark Nordhorn

Foto: Franz Frieling