Musik

Fae August – Falsch

„Sag was ist falsch mit mir, warum kann ich keine Dinge fühlen?“ Mit diesen, sich selbsthinterfragenden Zeilen, zieht uns Fae August in seine Single „Falsch“. Der Kampf mit seinen inneren Dämonen beschäftigt Fae weiterhin, wie schon in seiner Single „Sad“. Darüber hinaus beschäftigt er sich mit seiner Vergangenheit und steht sich so selbst immer wieder gegenüber. Die Produktion bleibt düster aber treibend.
Linkfire : https://faeaugust.lnk.to/falsch Video:https://youtu.be/G1vNTJ9otUQ Trailer: https://we.tl/t-BfXcINXduV

Es ist tiefe Nacht in der Köpenicker Straße, diesem letzten Teil in der Mitte Berlins, der sich
nicht so recht nach vibrierender Großstadt anfühlen will, mit seinen gespenstisch leeren
Industriebrachen, Parkplätzen, auf denen Plastiktüten im Wind ihre Bahnen ziehen, mit den
dunklen Hauseingängen. Straßenlaternen werfen ein oranges Licht auf die nasse Straße,
hinter den meisten Gardinen ist es schon dunkel. Nur in einem Fenster steht ein junger
Mann und atmet kleine Wölkchen in die kühle, feuchte Luft und denkt an früher.
Denkt an Maximiliansau und Hagenbach, die kleinen Dörfchen in der südwestdeutschen
Provinz, die zwar seine Heimat sind, aber gleichzeitig auch nicht, mit ihren Zwängen, mit den
vorgezeichneten Lebensläufen. Denkt daran, dass er schon früh aneckte in dieser Enge. Er
sieht an sich herunter, auf seine Tattoos, seine schweren Chrom-Ringe an den Händen. Auch
wenn er es manchmal vermisst, da hat er nie hingepasst. Die anderen fangen eine
Ausbildung an, er färbt sich seine Haare mit aggressiver Bleiche. Die anderen träumen
davon, den Betrieb des Vaters zu übernehmen, er träumt von Exzess und Party,
Rockstarträume.
Er wusste, dass er woanders sein Glück versuchen musste.
Als Musiker. Als Fae August. In Berlin.
Und hier ist er jetzt und starrt in den unendlich dunklen Nachthimmel.
Hinter ihm erleuchtet ein Monitor das winzige WG-Zimmer, die gecrackte Version eines
Musikprogramms taucht die karge Einrichtung in ein ungesundes Blau.
Ein paar Pizzakartons, ein paar Asia-Boxen, auf denen chinesische Drachen stumm ins Leere
fauchen, er hat keine Zeit fürs Kochen, keine Zeit für Restaurants, es ist die Musik, die ihn
fesselt, ihn auch jetzt gerade wachhält. Mit ihr dringt er gerade in Grenzbereiche ein, die ihn
eh nicht schlafen lassen werden: Depressionen und Panikschübe, Süchte und Angstattacken.
Fühlt tief in seinen eigenen Schmerz, betastet seine eigene Seele. Und füllt alle Risse und
Kratzer mit einer betörenden Musik, in der sich seine vielfältigen Einflüsse widerspiegeln:
Mit dem Sound verzerrter Gitarren, mit dem er aufgewachsen ist, Rock- und Punkrock.
Bands, die gegen die Enge ihrer Zeit anspielten. Mit Rap aus der Mitte der 10er-Jahre, als
Rapper aus den USA langsam einen Zugang zu ihrem Inneren fanden, Autotune und Codein
ineinander rührten, 808s und gebrochene Herzen. Und trotzdem dabei Coolness und eine
gewisse Härte behielten, klar, das Leben kann bitter sein, aber man kann es sich mit den
schönen Dingen dieser Welt auch versüßen, mit Designer-Fashion, mit Autos, mit Liquor.
Er steht immer noch am geöffneten Fenster, nimmt einen Schluck aus der schmalen
Weinflasche und schaut dem vorbeirauschenden Verkehr nach. Er hat wieder
durchgearbeitet, kleine Notizen auf dem Handy hin- und hergeschoben, bis sich Zeilen und
Hooks ineinander gefügt haben. Hat Spuren mit Instrumenten bearbeitet, bis er zufrieden
leise Melodien mitsummen konnte. Bis er wieder die Vorfreude spürte, diese kleinen
Momente puren Glücks. Wieder einen Song fertig, wieder dem Druck auf seiner Brust ein
Ventil hinzugefügt. Er spürt, dass etwas Großes auf ihn wartet, eine Zukunft, die Besonderes
bereithält. Aber da ist er noch nicht, er muss weitermachen. Er schließt das Fenster, setzt die
Kopfhörer auf und setzt sich wieder an den Monitor, an den Song, an dem er arbeitet.
Er ist so in Sound und Gedanken versunken, dass er nicht merkt, wie hinter ihm die Sonne
wunderschön und gleißend über Berlin aufgeht